
Zum internationalen Frauentag: Drei feministische Momente, in denen Biel Pionierin war
Am Freitag ist internationaler Frauentag. Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass Biel im Kampf um die Gleichstellung oft eine Vorreiterrolle innehatte.
8.03.2024, 1:45
Das Frauenstimmrecht: viermal dafür
In Biel wurde insgesamt viermal über das Frauenstimmrecht abgestimmt: 1956 bei der kantonalen Abstimmung, 1959 bei der eidgenössischen, 1968 bei der Abstimmung über die Einführung des Frauenstimmrechts auf Gemeindeebene und schliesslich nochmals 1971 erneut auf nationaler Ebene.
Das Beeindruckende: Die (männliche) Bieler Wählerschaft stimmte bei jeder dieser Abstimmungen klar für die Einführung des Frauenstimmrechts. Der Gemeinderat schloss in einem Bericht an den Stadtrat daraus, dass «die Bieler die Frauen so schnell als möglich in den Genuss ihrer Bürgerrechte kommen lassen wollen». Allerdings lehnte das Schweizer, respektive Berner Stimmvolk die beiden Abstimmungen in den 60er-Jahren ab.
Erst 1968 wurde national durch eine Volksabstimmung die Möglichkeit zur Einführung des Frauenstimmrechts auf kommunaler Ebene beschlossen, worauf Biel gleich davon Gebrauch machte: Sieben Monate nach der nationalen Abstimmung stimmten die Bieler Wähler für die Einführung mit fast einer Zweidrittelmehrheit (5568 zu 2837 Stimmen). Biel erlaubt damals als erst zweite Schweizer Gemeinde den Frauen das Wählen und Abstimmen. Die Zahl der Stimmberechtigten verdoppelte sich auf fast 21 000, die Polizei schuf Extrastellen für die Erfassung der Wählerinnen – und der Überprüfung nach Wahlrecht jeder Einzelnen. Denn für die Abstimmungen im November musste das Register bereits stehen. Drei Jahre später erhielten die Frauen Stimmrecht auf Bundesebene.
Unterrichtsboykott führt zu nationaler Gleichstellung
Der Kampf der Gleichstellung war mit der Einführung des Frauenstimmrechts keinesfalls gewonnen: Nach wie vor waren die Frauen vielerorts benachteiligt. So auch am Bieler Gymnasium: Dort mussten 1979 nur die Mädchen Haushaltungsunterricht besuchen – rund 200 Stunden. Eingeführt wurde die Pflicht 1952 vom Kanton, unterrichtet wurde im Hochhaus des Kongresshauses.
Ein paar mutige Gymnasiastinnen wehrten sich dagegen: Sie gründeten ein Komitee, informierten die Medien und starteten eine Petition für gemischtgeschlechtliche Klassen. Als bis zum Schulstart im Herbst nichts passiert ist, boykottierten sie kurzerhand den Unterricht.
Die beunruhigte städtische Schuldirektion versuchte vergeblich, die Protestierenden zur Aufgabe des Boykotts zu überreden – und damit rechtliche Folgen zu vermeiden.
So wurden die jungen Frauen denunziert und gebüsst. Sieben von ihnen legten Rekurs ein, um den Fall an die Öffentlichkeit zu bringen. Das gelang: Die Affäre schlug in den Medien landesweit hohe Wellen und führte zu ähnlichen Aktionen in der übrigen Schweiz.
Im August 1980 wurden die Frauen in einem aufsehenerregenden Prozess, bei dem der Gerichtssaal bis auf den letzten Platz gefüllt war, zum Bezahlen der Busse verurteilt. Der Grossteil der Busse übernahm allerdings der Schweizerische Verband für Frauenrechte. Und: Im Hintergrund befasste sich bereits eine kantonale Kommission mit der Änderung des Gesetzes. Der obligatorische Haushaltungsunterricht für Mädchen wurde schliesslich abgeschafft.
Frauen in der Politik: Biel auch heute Spitzenreiterin
Seit den letzten Gemeinderatswahlen wird die Stadt Biel von einer Frauenmehrheit regiert: Neben Stadtpräsident Erich Fehr (SP) und Sozialdirektor Beat Feurer (SVP) sitzen mit Natascha Pittet (FDP, übernahm 2022 von der zurückgetretenen Silvia Steidle), Lena Frank (Grüne) und Glenda Gonzalez Bassi (PSR) drei Frauen im Gemeinderat.
Wie schnell sich das geändert hat, zeigt das Beispiel von Barbara Schwickert: Sie trat 2020 nach zwölf Jahren als Gemeinderätin zurück. Als sie 2008 zum ersten Mal in den Rat gewählt wurde, war sie die einzige Frau – und erst die dritte überhaupt in der Geschichte Biels.
Seit den letzten Wahlen 2020 ist Biel zusammen mit Genf die einzige Stadt in der gesamten Schweiz mit einer Frauenmehrheit – in allen anderen sind die Männer in der Mehrheit. Teils klar, wie beispielsweise in Lugano, wo der Frauenanteil 2020 lediglich 14 Prozent betrug.