
Vom Winde verweht am Ballonfestival in Château-d‘Oex
Auch wenn eine kalte Bise herrschte, liess es sich unser Mitarbeiter Nicolas Geissbühler nicht nehmen, eine Heissluftballonfahrt am Festival International de Ballons in Château-d'Oex zu erleben. Ein Erlebnisbericht.
31.01.2023, 13:39
Es ist bitterkalt, doch es verspricht ein wunderschöner Wintertag mit bester Sicht zu werden, als ich mich auf dem Startplatz unterhalb des Dorfes einfinde. Es herrscht bereits ein reges Treiben: Einige Ballone sind im Begriff zu starten, andere machen sich bereit und befüllen die Ballone mit heisser Luft.
Eigentlich hätten an diesem Morgen beeinträchtigte Kinder ein spezielles Erlebnis haben sollen. Das Ballonfestival hat behindertengerechte Körbe organisiert. Allerdings machte das Wetter diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung. So erhielten nur einige Medienschaffende die Möglichkeit, Château-d‘Oex von oben zu sehen.

Windige Sache: Turbulentes Ballonfestival endet positiv
Trotz viel Wind zieht das Komitee des Ballonfestivals eine positive Bilanz. Gemäss einer Pressemitteilung haben mehr als 60 Ballone aus 15 Ländern am Festival teilgenommen. Bereits am ersten Wochenende konnten über 10’000 Zuschauer:innen verbucht werden, bis Ende Woche wurden mehr als 25’000 Besucher gezählt. Besonders nach zwei pandemiebedingten Absagen des Festivals tue es gut, wieder so viele Leute begrüssen zu dürfen, sagte Gemeindepräsident Eric Grandjean gegenüber Radio Télévision Suisse (RTS). Auch das Organisationskomitee spricht von einem positiven Festival. Der Wind habe ihnen allerdings einige Streiche gespielt, erklärte Flugleiter François Chappuis gegenüber RTS: «Die Bise hat uns unser Spielfeld wesentlich eingeschränkt. Normalerweise kann man bei einer Ballonfahrt von Château-d’Oex Monumente wie das Matterhorn oder das Monte-Rosa-Massiv sehen. Das war dieses Jahr nicht möglich.» Es konnte nur lokal und damit in tiefen Flughöhen geflogen werden.
Neuerungen: Ballonfahrten für Kinder mit Beeinträchtigung
An der diesjährigen Ausgabe, die vom 21. bis zum 29. Januar stattfand, gab es zahlreiche Neuerungen. Eine davon waren Ballonfahrten für körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen. Diese wären eigentlich letzten Freitag zum ersten Mal in der Geschichte des Festival International de Ballons in Château-d’Oex geplant gewesen, organisiert von der Stiftung Kinderhilfe Sternschnuppe. Doch wieder machte die Bise dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung: Passagierflüge wurden nicht zugelassen. Und so starteten am Freitagmorgen schlussendlich nur ein paar Ballone mit Medienschaffenden und Offiziellen des Festivals an Bord. Und das auch nur zu einer «lokalen» Fahrt im Tal und somit in geringer Höhe, um nicht in die stärkeren Winde zu kommen. Die beeinträchtigten Kinder waren dennoch vor Ort – und haben die Ballone vom Boden aus beobachtet. Dank des tollen Einsatzes des Teams des Festival de Ballons konnten die Kinder beim Befüllen helfen und erhielten Erklärungen zum Ballonfahren. Auf Nachfrage teilte die Stiftung mit, dass die Kinder auch ohne Ballonfahrt einen tollen und unvergesslichen Tag erlebt hatten. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die Ballonfahrten werden ausserhalb des Festivals durchgeführt, sobald die Wetterbedingungen dies wieder zulassen. Dabei werden auch die extra dafür angeschafften behindertengerechten Ballonkörbe eingeweiht.
Andere Neuerungen waren unter anderem eine Vortragsserie, bei der beispielsweise Weltumrunder Bertrand Piccard oder Scherenschnitt-Künstlerin Anne Rosat referierten und Filmvorstellungen von Filmen des Festival International du Film Alpin des Diablerets (FIFAD), die allesamt auf reges Interesse beim Publikum stiessen.
Mir wird Arnaud Favre aus Greyerz vorgestellt, er soll mein Pilot sein. Er besitzt einen speziell energiesparenden Ballon, einen «Eco-Ballon», wie er ihn stolz nennt. Er kann dank einer doppelten Wand und einer Aluminiumbeschichtung auf der Aussenseite die Wärme wesentlich besser speichern als herkömmliche Ballone.
Auch der Korb wirkt speziell. Er ist für Langstreckenrennen gemacht und nicht wie gewohnt aus Weide, sondern aus ein paar Stangen und einem dicken Tuch. Und er ist klein.
Ich helfe mit, den Ballon mit Heissluft zu füllen, ehe wir uns zu dritt in den kleinen Korb – der gar kein Korb im herkömmlichen Sinne ist – zwängen. Mit an Bord ist noch ein Reporter des französischen Fernsehens.
Zwei Leute am Boden schieben unseren nun leicht schwebenden Ballon zum Startplatz.

Dort wartet eine Fluglotsin auf uns. Sie erteilt uns vorläufig keine Starterlaubnis – ein anderer Ballon ist noch über uns. Einen Moment später kommt ihr Zeichen, Favre gibt kräftig Gas, die mehrere Meter hohe Flamme heizt den Ballon – und wir heben ab.
Ein seltsames Gefühl
Schnell entfernt sich der Boden, wir treiben in Richtung Westen. Trotz des hohen Tempos ist der Start äusserst sanft. Ich war etwas nervös, nachdem ich zuvor andere Ballone habe starten sehen, die teils Mühe zu haben schienen, umliegenden Gebäuden auszuweichen.
Selbst Weltumrunder Bertrand Piccard vom Winde verweht
Einen unangenehmen Zwischenfall wegen der Bise erlebte auch Weltumrunder Bertrand Piccard. Gemäss einer Meldung des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) machte er seinen Heissluftballon am Montagmittag des Festivals für den Start bereit. Piccard wollte den Start wegen der starken Böen abbrechen, doch da hatte der Wind den Ballon bereits erfasst. Er wurde mehrere Meter weit getragen, ehe er einen Imbissstand streifte und unsanft auf der Strasse landete. Verletzte gab es keine. Der Ballon war allerdings beschädigt und musste erst wieder repariert werden.
Doch unser Ballon schwebt sanft steigend empor und wir haben bald die beste Aussicht über das Pays-d’Enhaut, die man sich vorstellen kann. Immer wieder steigen und sinken wir höher und tiefer, die Richtung wird vom Wind bestimmt.
Zu hoch dürfen wir allerdings nicht steigen: Wegen des starken Windes müssen an diesem Tag alle Ballons im Tal bleiben. Das heisst: Höher als die Gipfel der Bergketten um Château-d‘Oex dürfen wir nicht steigen.

Von den turbulenten Winden spüren wir im Ballon allerdings nichts. Der Pilot lenkt das Fluggerät geschickt und spielt mit den Böen.
Wir fahren an einer riesigen Zielscheibe am Boden vorbei, ein Gewinnspiel des Festivals. Man kann farbige Reissäckchen auf sie fallen lassen und kleine Fressalien gewinnen. Doch der Wind treibt uns nicht genug nahe heran.
Nach einer Stunde Flug über Les Moulins und Rossinière schaut sich Pilot Favre langsam nach einem geeigneten Landeplatz um.

Erst treibt uns der Wind auf die falsche Seite des Tals, dann in die Nähe einer Starkstromleitung – doch Favre findet gekonnt einen Weg heraus, indem er in höheren Schichten von anderem Wind profitiert. Wir landen schliesslich mitten auf der Hauptstrasse.

Dort wartet glücklicherweise bereits der Fahrer von Favre, der unseren Ballon auf einen Feldweg neben der Strasse ziehen will. Ein im Auto vorbeifahrendes Ballonteam aus Litauen hält an und eilt ihm zu Hilfe. Glücklicherweise herrscht sonst gerade kein Verkehr! Auf dem Feldweg gelandet, steigen wir alle vorsichtig aus, der Ballon steht noch über uns.
Eine grosse Familie
Ich helfe dem Fahrer, den Ballon mit Hilfe eines Seils herunterzuziehen, möglichst weg von der Hauptstrasse. Wir legen das Tuch fein säuberlich auf dem Feldweg aus, pressen jegliche Luft aus und rollen es zusammen. Es wiegt immer noch satte 130 Kilo – das Ganze ist also ein ziemlicher Kraftakt.
Wir verstauen es nun zusammen mit dem Korb in einem dafür angefertigten Anhänger und fahren los – zur Tankstelle. Doch nicht etwa Benzin fürs Auto wird hier getankt, sondern Gas für den Brenner des Ballons.
In Les Moulins hat es eine dafür eingerichtete Gastankstelle, dort treffen nun immer mehr Ballonfahrer zusammen. Sie alle sind mit uns gestartet und gelandet – alle an anderen Orten, abhängig davon, wohin sie der Wind trug. Ich merke, dass die Ballonfahrer wie eine grosse Familie sind.

Man kennt und hilft sich – wie der Litauische Pilot, der mitten auf der Hauptstrasse anhielt, um uns zu helfen. Arnaud Favre erklärt mir augenzwinkernd, dass eine gute Nachbereitung der Ballonfahrt wichtig sei und nimmt mich mit in eine Garage neben der Gastankstelle. Dort warten andere Ballonfahrer und Helfer des Festivals. Man stösst gemeinsam mit einem kleinen Apéro auf den gelungenen Flug an.