Nas am Lakelive Festival: So viel Hip-Hop steckt noch im Royal Arena drin
Am letzten Festivaltag stand das Lakelive im Zeichen des Hip-Hop – und des Royal Arena Festival. Wie viel der so hochgepriesenen Hip-Hop Kultur des Royal Arena steckt noch drin?
11.08.2024, 20:16
Sonnenschein, Hitze und kaum eine Wolke am Himmel: Das Lakelive-Gelände präsentiert sich am Samstag von seiner besten Seite. Herausgeputzt für den Abschlussabend, der nach dem Ausfall des Royal Arena Festival in diesem Jahr als gemeinsamer Abend der beiden Festivals organisiert wurde. Somit sollte alles im Zeichen des Hip-Hop stehen.
Das Line-up verspricht jedenfalls schon viel: Mit Trettmann hat man einen deutschen Rapper der neueren Generation auf der Bühne, mit Chlyklass eine Schweizer Rap-Grösse und mit dem US-Rapper Nas eine wahre Legende.
                                    Als die Sonne hinter dem Jura untergeht, strömen die Menschen von der Badewiese Richtung Hauptbühne, folgen den unverwechselbaren Klängen der Berner Hip-Hopper von Chlyklass. Und die grosse Frage, die sich viele stellen: Kann das Royal Arena Lakelive mit dem Original aus Orpund mithalten?
Baggypants und Joints
Was sofort auffällt: Vonseiten des Publikums ist einiges an Hip-Hop-Kultur am Bielersee versammelt. Hier und dort wird ein Joint geraucht, viele tragen entsprechende Kleider, also Baggypants, Buckethats, Bandanas und XXL-Shirts. Allerdings ist der Stil weniger verbreitet, als er es jeweils am Royal Arena war.
«Hier sind es viele verschiedene Menschen, am Royal Arena war es jeweils eine Gruppe von Menschen», sagt Tabea aus Biel. «Genau, hier kommen viele Leute, einfach, weil Lakelive ist. In Orpund kamen die Menschen wegen des Hip-Hop», pflichtet ihre Begleitung Vanessa bei. Sie waren beide schon mehrmals am Royal Arena Festival und hätten die Stimmung jeweils enorm geschätzt.
                                    Apropos Stimmung: Als zweitwichtigster Act des Abends steht mittlerweile der deutsche Hip-Hopper Trettmann auf der Hauptbühne – und heizt mächtig ein. Dem Publikum scheint die modernere Show mit Tänzerinnen, LED-Screen und Autotune-Effekten zu gefallen.
                                    Und Trettmann scheint es ebenfalls zu gefallen: «Ich liebe es, in der Schweiz zu spielen», sagt der Rapper aus dem Osten Deutschlands. Nach seinem Konzert mischte er sich gar unter das Publikum, um das Konzert von Nas zu schauen. Dazwischen gaben die Jungs von Delinquent Habits ihre spanisch-englischen Hits auf der Zeltbühne zum Besten.
Superstars in familiärer Atmosphäre
Schlussendlich konnte das Lakelive mit dem Hip-Hop-Abend auch Leute anziehen, die vorher noch nie am Royal Arena Festival waren. So etwa Fabian aus Küngoldingen neben Olten. «Es war der Wahnsinn», sagte er. Trettmann habe er nicht gekannt, es sei aber ein sehr schönes Konzert gewesen. «Von Delinquent Habits bin ich Fan und die haben voll abgeliefert. Und Nas war – ist ja logisch – sowieso super.»
                                    Ihn habe das Festival auch sonst vollends überzeugt: Es sei nirgends ein Gedränge gewesen, man hätte immer Platz, um sich auszuruhen, und musste praktisch nirgends anstehen. So würde er auch jederzeit wiederkommen. Seine Begleitung Natascha kann etwas weniger mit dem Hip-Hop anfangen, sie hatte Fabian, ihrem besten Freund, das Festivalticket zum Geburtstag geschenkt. «Die familiäre Atmosphäre hat mir gut gefallen, es ist sehr friedlich», sagt sie.
Gerade diese familiäre Atmosphäre war etwas, das am Royal Arena Festival immer gelobt wurde. Zieht sich das also weiter? «Nein», findet Marc aus Biel. Er war schon mindestens siebenmal am Royal Arena und sagt: «Das ist und bleibt halt das Lakelive. Die Kultur des Ganzen ist etwas weg.»
Keine Graffiti-Galerie und Breakdance-Wettkämpfe
Dem stimmt auch Lisa aus Biel zu. Auch sie war schon oft am Royal Arena Festival. «Das Royal hatte den ganzen Hip-Hop-Vibe mit der Graffiti-Galerie und den Breakdance-Wettkämpfen. Das fehlt hier», sagt sie.
                                    Sie sieht aber durchaus Potenzial: «Das Royal muss nicht zwingend in Orpund stattfinden, es war ja auch mal in Täuffelen.» Aber um auch am Bielersee die gleiche Stimmung erzeugen zu können, brauche es mehr. «Man müsste das ganze Setting ändern. Hip-Hop beinhaltet nicht nur Rap und das sollte auch berücksichtigt werden.»
Das hitgespickte Set von Nas ist mittlerweile beendet – und damit auch die Konzerte des diesjährigen Lakelive. Das Festival klingt langsam aus. Die Rap-Grösse aus den USA konnte das Publikum überzeugen, es feiert den Star, obschon Nas keine radiotauglichen Mainstreamhits schreibt. So viel Hip-Hop-Verständnis scheint also bei den Besuchenden noch vorhanden zu sein.
                                    Was ist also mit der Hip-Hop-Familie passiert? Marc findet, das Royal Arena Festival habe sich auch etwas selbst zerstört. Man hätte etwa zu wenig über den Röstigraben geschaut und sich zu wenig weiterentwickelt. «Einen Old-School-Head wie Nas zu haben, ist super. Daneben braucht es aber auch junge, aufstrebende Künstler, die die Kultur leben», sagt er.
«Das Frauenfeld ist Drake, das Royal ist Kendrick»
Er vergleicht das Royal Arena mit dem Open Air Frauenfeld. Letzteres sieht er als Mainstream-Veranstaltung, während das Festival in Orpund «die Kultur lebte». «Das Frauenfeld ist Drake, das Royal Arena Festival ist Kendrick», sagt er und macht einen Vergleich zum aktuellen Streit zwischen den beiden US-Rappern. Drakes Musik gilt als kommerzieller Gute-Laune-Rap, während Kendrick Lamar für seine tiefen und vielschichtigen Texte gefeiert wird.
Hip-Hop sei etwas sehr Dynamisches, so müssten sich auch Hip-Hop-Festivals stetig weiterentwickeln, findet er. Es sei schliesslich kein Rolling-Stones-Konzert, das über Jahre hinweg immer gleich funktioniert. Dem stimmt auch Vanessa zu: «Die Moshpits gehören halt mittlerweile auch zum Hip-Hop, da muss man sich für diese neuen Strömungen ebenfalls öffnen.»
Mittlerweile tanzen die Menschen vor der Zeltbühne zu verschiedenen lokalen DJs, die Afrobeats, Dancehall und natürlich Hip-Hop auflegen. Die Afterparty dauert noch bis tief in die Nacht, ehe das Lakelive Festival 2024 endgültig vorbei ist. Vor der Hauptbühne fahren bereits erste Maschinen vor, die mit dem Abbau beginnen.
Auch wenn die Kultur und die vielgelobte Stimmung des Royal Arena Festival nicht eins zu eins an das Bieler Seeufer geholt werden konnte, sind sich alle einig: Der Royal-Arena-Abend am Lakelive-Festival war ein voller Erfolg – auch wenn sich insgeheim viele das «echte» Royal Arena zurückwünschen.