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Zwei Tage Hip-Hop am Royal Arena Festival in Orpund: Ist Old School tot?

Das Royal Arena steht durch und durch für Hip-Hop. Headliner waren Cypress Hill, deren Erfolgsalbum dieses Jahr dreissig wurde. Sind sie – und Old School Hip-Hop –noch zeitgemäss?


Nicolas Geissbühler (Bieler Tagblatt)

20.08.2023, 20:02

«I want to get high, so high!» Mit diesen Worten startete die Show des Rap-Kollektivs Cypress Hill aus den USA. Sie stehen für Old School Hip-Hop wie kaum jemand anderes, der noch live auftritt. In ihren Liedern rappen sie vor allem über ein Thema: das Kiffen.

Mit einem rauchenden Joint in der Hand betritt B-Real, Frontmann der Rapgruppe Cypress Hill, die Bühne am Freitagabend in Orpund. Er ist mit seinen Leuten einer der beiden Headliner der diesjährigen Ausgabe des Royal Arena Festivals in Orpund, das seit über 20 Jahren stattfindet. Sie starten ihre Show mit dem Track «I Wanna Get High», gefolgt von «I Ain’t Goin’ Out Like That» und «Insane in the Brain», alles Lieder ihres Erfolgsalbums «Black Sunday». Überhaupt spielen sie fast nur Songs von diesem Album.

Cypress Hill am letzten Royal Arena Festival 2023 Dominik Rickli

Fast nur das Geburtstagskind

Ihren Durchbruch hatten sie vor genau 30 Jahren mit ebendiesem Album «Black Sunday», das bis dato ihr meistverkauftes Album ist. Insgesamt 19 Songs spielt Cypress Hill am Royal Arena, davon ganze 14 von «Black Sunday». Auf ihrer aktuellen Tour steht das Album im Zentrum, schliesslich feiert es auch einen runden Geburtstag. Wohl deswegen, aber auch, weil sich die meisten von Cypress Hills grössten Hits auf diesem Album befinden.

Dominik Rickli

Und diese liefern sie, das Publikum macht artig mit. Doch etwas abseits der Hardcore-Fans direkt vor der Bühne scheinen die Rapper aus Los Angeles das Publikum nur bedingt erreichen zu können. Ist ihre Show zu wenig spektakulär oder sind die Musiker nicht mehr zeitgemäss?

Aus der Zeit gefallen?

Die Antwort liegt wohl in einer Mischung aus beiden. Einerseits sind die Zeiten, in denen Old School Hip-Hop von der breiten Masse gehört wird, vorbei. So dürften etliche Zuschauende nur die bekanntesten paar Lieder im Set der US-Amerikaner gekannt haben. Die Fans, die die gesamte Karriere von Cypress Hill erlebt und verfolgt haben – die im Jahr 1988 ihren Anfang hatte –, dürften zumindest an Festivals je länger je mehr aussterben. Sie sind heute Familienväter und -mütter.

Dominik Rickli

Andererseits ist ihe Show nicht gerade herausragend. Die Live-Performance ist zwar gut: Die beiden Rapper B-Real und Sen Dog haben eine durchaus überzeugende Bühnenpräsenz, DJ Muggs macht Stimmung an den Turntables und Eric Bodo bringt am Schlagzeug die Bässe zum Beben. Aber es gibt sehr viel spektakulärere Shows. So fehlen Elemente wie Pyro-Flammen oder aufwendige Bühnenbilder gänzlich. Cypress Hill konzentriert sich voll und ganz auf die Musik, vergisst dabei aber, was sonst noch zu einem Konzert gehört.

Aufmerksamkeitsdefizit des Publikums

Ein weiteres Problem könnte die Aufmerksamkeitsspanne des Publikums sein. Schliesslich ist bewiesen, dass diese bei uns allen immer kürzer wird – was hauptsächlich den sozialen Medien zu verschulden sein dürfte. So werden Songs immer kürzer. Dies hängt auch mit den Algorithmen der Streaming-Plattformen zusammen, denn ein Lied muss ganz gehört sein, dass es «zählt». Was bei zweieinhalb Minuten Länge wesentlich schneller der Fall ist als bei viereinhalb oder mehr.

Da die meisten Songs, die Cypress Hill am Royal Arena spielen, Anfang 90er komponiert wurden, sind diese eher viereinhalb oder mehr Minuten lang. So scheint es, dass die Band das Publikum jeweils nach dem zweiten Refrain stetig verliert. Man spricht lieber mit der Begleitung, anstatt sich so lange auf den gleichen Song zu fokussieren.

Dominik Rickli

So liefert Cypress Hill zwar eine überaus solide Show und spielen ein überzeugendes Konzert. Nur halt so ganz packen können sie einem nicht.

Dass es mit Old School Hip-Hop auch ganz anders geht, beweist am selben Abend die Gruppe «Army of the Pharaos», die – zwar ebenfalls ohne Showelemente – die Zeltbühne beinahe abrissen.

Hip-Hop ist tot, lang lebe der Hip-Hop

In den Hip-Hop-Charts wurde Old School bereits vor einiger Zeit vom Trap abgelöst. Dieser ist währenddessen auch in der Schweiz im Mainstream angekommen: Trap-Superstar Travis Scott belegte noch vor zwei Wochen Platz eins, drei und vier der Schweizer Single-Hitparade.

So hört man auch am Royal Arena immer mehr Trap. Nur logisch, denn dieser gehört genau so zu Hip-Hop wie Old School oder Graffitis. Auch der andere Headliner neben Cypress Hill beispielsweise ist dort zu verorten: Ferg, ehemals A$AP Ferg, Teil der legendären Crew A$AP Mob, zu der auch A$AP Rocky gehört.

Bemerkenswert sind zurzeit aber die vielen weiblichen Künstlerinnen, die sich mit Trap-Musik einen Namen machen.

Starke Frauen

Eine davon ist die Deutsche Juju aus Berlin. Sie ist seit ein paar Jahren auf grossen Bühnen zu sehen, startete ihre Karriere zusammen mit der Rapperin Nura als SXTN – und versteht es, energiegeladene Live-Shows zu machen. Höhepunkt des Konzertes: als Juju auf die Bitte eines weiblichen Fans eingeht und diese zu einem gemeinsamen Liedchen auf die Bühne holt.

Dominik Rickli

Juju lässt sie anfangen – und ist baff. Ihr Gast hat ihr Handwerk definitiv im Griff und rappt wie wild drauflos. Juju unterstützt ab und zu, geniesst aber mehrheitlich selbst die Show. Nach dem Lied applaudiert die Rapperin ihrem Fan, ehe sie diese von der Bühne verabschiedet – nicht ohne ihr noch eines ihrer T-Shirts zu schenken.

Fehlende Franzosen

Auch wenn die alten, dicken Männer des Old School langsam aber sicher von jungen Frauen und auch Männern abgelöst werden, verrät sich das Royal Arena nicht selber: Hip-Hop ist nicht nur Old School – auch wenn dieser zweifelsohne prominent wichtig dazugehört. Es ist und bleibt das grösste Hip-Hop-Festival der Schweiz (das Open Air Frauenfeld zählt ja nicht wirklich als Hip-Hop-Festival und versteht sich selbst als «Urban») und ein unabdingbarer Teil der Schweizer Musikszene.

Einziger Punkt, den man den Bookern des Royal Arena vorwerfen kann: zu wenig französischer Rap. Französischer Hip-Hop gehört vor allem in einer zweisprachigen Stadt unbedingt dazu. Mit nur einem Act pro Abend aus Frankreich – und der französischsprachige Rapper Buds aus Biel – etwas gar mager.

Dennoch war es einmal mehr ein Fest des Hip-Hop, mit einem Publikum, das wie eine Familie daherkommt: Alle sind freundlich und alle haben Platz.

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Nicolas Geissbühler

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