
«Ist mir zu stressig»: Eine Schulklasse schmeisst für einen Abend ein ganzes Restaurant
Einmal in einer Grossküche für über 80 Leute kochen: Das stand für eine Nidauer Schulklasse auf dem Programm. Warum trotzdem niemand eine Lehre im Gastrobereich machen will.
29.01.2025, 7:22
«Du musst die Zucchetti mit Schwung wenden», sagt der Koch und schwenkt die Pfanne, es gibt eine Stichflamme. In der Küche des Restaurants Bären in Twann brutzelt es gehörig, Souschef Fabian Christinaz gibt seinem Team deutliche und klare Anweisungen.
Dieses besteht heute aber nicht aus Köchinnen und Lehrlingen, sondern aus Schülerinnen und Schülern, genauer aus Neuntklässlern aus Nidau. Sie erhalten einen Einblick in die Welt der Gastronomie – und übernehmen für einen Abend gleich das gesamte Restaurant.

Hinten in der Küche bereiten fünf Jugendliche den ganzen Nachmittag den Viergänger für den Abend vor: Es wird geschnippelt, gerüstet, gebraten und gekocht. Vorne im Restaurantbereich deckt eine zweite Gruppe die Tische kunstvoll ein. Hie und da hört man es scheppern, weil ein Löffel herunterfällt. Dazu lernen sie raffinierte Servietten-Falttechniken, wie etwa den Bischofshut oder den Fächer.

Richtig servieren will geübt sein
Still und konzentriert wuseln die Jugendlichen zwischen den Tischen durch und schmücken sie. Ab und an greift Janice Dürig, die Direktionsassistentin des «Bären», ein und korrigiert, wenn etwa ein Messer falsch herum liegt.
Als alles dekoriert ist, geht es an das Lernen der Technik für den Service am Abend. Eine erfahrene Kellnerin zeigt den sechs Jugendlichen, wie man ein Suppenteller richtig serviert – von rechts – und wieder abräumt – von links. «Und dann wünscht ihr den Gästen immer ‹E Guete›», sagt sie.
Das alles wird geübt: Die Jugendlichen servieren einander Suppenteller mit Wasser. In der Küche riecht es derweil verlockend gut. Die Caramelköpfli für das Dessert sind eingefüllt und kommen in den Kühler, das Beilagengemüse für den Hauptgang ist bereits vorgebraten und kommt auf die Teller, die am Abend erwärmt werden.
Einige sind noch immer mit rüsten und schneiden beschäftigt, so etwa Nils. Er kümmert sich um die Suppe und zerkleinert dazu sechs Kilo Rüebli – still und fokussiert. Er kocht zwar gerne, sieht sich aber in Zukunft nicht in einer Küche arbeiten.
«Der Job ist mir zu stressig, das kann ich mir nicht vorstellen», sagt er. Er habe bereits eine Lehrstelle gefunden – als Konstrukteur.
Auch sein Klassenkamerad Joel, der ihm nun hilft, mit den sechs Kilo Rüebli fertig zu werden, sieht das ähnlich. Und: «Ich will einen Job, bei dem ich draussen arbeiten kann.» Auch er hat bereits eine Lehrstelle – bei einer Gärtnerei als Landschaftsgärtner.
Pläne für die Zeit nach der neunten Klasse
Gleiches hört man beim Serviceteam raus: Fast alle wissen bereits, was sie ab August machen – oder zumindest gerne machen würden. Gastronomie gehört nicht zu den Wünschen. Nicht mal bei Laila, die gar mal eine Schnupperlehre im Service absolviert hat. Aber sie will im Sommer an den Gymer.
Sie und ihre Klassenkameradin Faith haben trotzdem Spass: «Die Falttechniken für die Servietten sind cool. So kann man kleine, aber schöne Details herstellen», sagt Faith. Daneben sitzt Ella und faltet eine Serviette zu einem Schiffchen. Ihr hat das Eindecken der Tische besser gefallen. «Den Raum so schön herzurichten, macht Spass», sagt sie.
Als gegen 17 Uhr in Küche und Gaststube alles vorbereitet ist, setzen sich die Schülerinnen und Schüler an den Stammtisch und bekommen das Mitarbeiter-Menü aufgetischt. Bevor die Gäste eintreffen, wird das Team verköstigt – wie an einem ganz normalen Abend im Restaurant Bären.
Die eigenen Eltern bewirten
Danach gibt es letzte Anweisungen: «Beim Servieren herrscht Rechtsverkehr, sonst gibt es Zusammenstösse», sagt Souschef Fabian Christinaz. In der Küche werden Eier durch ein Sieb gedrückt – das geht schneller, als sie kleinzuschneiden – und Croûtons gebacken. Sophia schneidet die Brotlaibe zu Würfeln, würzt sie und schiebt sie in den Backofen. Sie habe sich extra für diese Station gemeldet, da sie sonst nicht besonders gut kochen könne.

Auch sie geht im August weiterhin zur Schule, dann aber ans Gymnasium. Der Nachmittag sei dennoch eine Bereicherung: «Meine Grosseltern sind Stammgäste hier, darum ist es spannend, mal hinter die Kulissen zu sehen», sagt Sophia. Der Nachmittag im Restaurant war für die Schüler dieser neunten Klasse des Burgerbeunden-Schulhauses in Nidau obligatorisch. Die eine Halbklasse sitzt in der Schule, die andere schmeisst das Restaurant. Eine Woche zuvor übernahm die andere Hälfte den Gastrobetrieb.
Um 18.30 Uhr treffen die ersten Gäste ein – grösstenteils die Eltern der Jugendlichen – und im Restaurant wird es lauter. Das Serviceteam teilt die Tische unter sich auf, alle wollen ihre Eltern bedienen und ihnen zeigen, was sie gelernt haben. Die ersten Teller werden in der Küche angerichtet und geschickt, im Restaurantbereich wird es langsam ruhiger – meist ein Zeichen dafür, dass das Essen schmeckt.
Und auch wenn an diesem Nachmittag und Abend niemand den zukünftigen Traumberuf gefunden hat, in einem Punkt sind sich dennoch alle Schülerinnen und Schüler einig: Der Einblick in die Welt der Gastronomie war sehr wertvoll.