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Hinter den Türen einer Bieler Moschee

Muslime haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen, Moscheen werden immer wieder als Treffpunkt von Extremisten dargestellt. Ein Besuch bei der albanisch-muslimischen Gemeinschaft.


Nicolas Geissbühler (Bieler Tagblatt)

4.12.2023, 13:37

«Könnten Sie bitte die Schuhe ausziehen?», werden zwei Besucher von einer Frau mit Kopftuch begrüsst. Sie gehört zum Vorstand der albanisch-muslimischen Gemeinschaft Biel, die an diesem Samstag einen Tag der offenen Türe in ihrer Moschee organisiert.

Die Moschee – und damit auch der zentrale Treffpunkt der Gemeinschaft – befindet sich in Biel an der Bözingenstrasse. Allerdings erst in der zweiten Reihe, etwas versteckt hinter einem Häuserblock, in einem alten Industriegebäude. Erst vor anderthalb Jahren hat die Gemeinschaft die Räumlichkeiten fertig umgebaut und bezogen.

Dominik Rickli
Dominik Rickli
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Von aussen sieht die Moschee nach wie vor unscheinbar aus. Wie ein altes Industriegebäude eben. Auf beiden Seiten gibt es einen Eingang – einen für die Frauen und einen für die Männer.

Besucher sind immer willkommen

Sobald man die Türschwelle überschreitet, fühlt man sich nicht mehr wie in einem Industriegebäude: Ein dicker, rot-goldener Teppich belegt den Boden, die Wände sind in einem Crème-Ton gestrichen und immer wieder mit kunstvollen arabischen Schriftzeichen in Gold und Schwarz geschmückt.

Dominik Rickli

Und man wird offenherzig von der Gemeinschaft empfangen. Sofort kümmert sich ein Mitglied der Gemeinschaft um aussenstehende Besucherinnen, führt sie herum, erklärt die Abläufe und bietet Speis und Trank von einem Buffet mit albanischen Spezialitäten an. «Auch wenn nicht Tag der offenen Tür ist, sind Besucher immer sehr willkommen», sagt der Vizepräsident der Gemeinschaft, Agron Velija.

Dominik Rickli

Egal, welcher Konfession sie seien. «Monotheistische Religionen haben alle denselben Gott», sagt Velija. So könne auch eine christliche Kirche ein Ort sein, der sich für ein muslimisches Gebet eignen würde.

Tagsüber nur leise beten

Das Herzstück der Moschee ist der Gebetsraum. In der Mitte steht der Altar aus dunklem Holz, der sogenannte Mihrab, am einen Rand steht eine Art Kanzel mit Treppe, die Chutba. Beim Freitagsgebet predigt der Imam von dort aus, indem er ein paar Treppenstufen emporsteigt.

Dominik Rickli
Dominik Rickli
Dominik Rickli
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Das Freitagsgebet ist das wichtigste für die Muslime. Da könne es schon mal vorkommen, dass 250 bis 300 Leute im Gebetsraum beten, sagt der Imam der Moschee, Emin Odai. An diesem Samstag sind es zum Mittagsgebet rund 30 Männer und Jungen, die still beten. So schreibt es die Tradition des Mittagsgebets vor. «Das kommt aus der Anfangszeit des Islams, als Krieg herrschte. Hätte man tagsüber laut gebetet, hätte man den Feinden seine Position verraten», sagt Imam Odai.

Dominik Rickli

Beim Gebet betet jeder für sich. Jeweils 33-mal werden drei Lobpreisungen an Gott gemacht: Als Erstes preist man Allah, danach dankt man ihm und zum Schluss lobt man ihn als «den Grössten» – mit dem altbekannten «Allahu akbar».

Frauen und Männer beten getrennt

Weniger still, dafür umso eindrücklicher ist der Ruf zum Gebet. Dieser wird von einem Muezzin vorgetragen und klingt wie ein melodischer Sprechgesang. Die Anwesenden hören still zu, stehen danach auf und stellen sich vor dem Altar auf. Danach folgt das Gebet, still und in den drei Positionen stehend, gebückt und kniend, mit dem Kopf am Boden.

Dominik Rickli

Frauen befinden sich währenddessen keine im Gebetsraum, sie haben einen eigenen Raum gleich nebenan – mit eigener Küche und Aufenthaltsecke mit Sofas. Angrenzend daran befinden sich deren Waschräume. Das Gebet und die Predigt des Imams wird per Kamera auf einen grossen Fernsehbildschirm übertragen.

Dominik Rickli

«Beim Gebet soll man sich nur auf Gott konzentrieren und nicht abgelenkt sein. Deswegen beten wir getrennt», sagt Vorstandsmitglied Nezdet Hamidi. Eine schöne Frau könne einen schon mal aus dem Konzept bringen. Deswegen seien auch in kleineren Moscheen, die keine separaten Gebetsräume haben, die Frauen jeweils in den hinteren Reihen.

Treffpunkt Kantine

Hamidi ist Leiter der Baukommission und erklärt, dass sie den ganzen Umbau der Fabrikhallen zu einer Moschee innerhalb der Gemeinschaft bewältigt hätten. Alle hätten ihr Wissen eingebracht und daraus sei die jetzige Moschee entstanden.

Auf ihre Räumlichkeiten sind sie stolz. Neben den beiden Gebetssälen findet man auch ein Schulzimmer, eine prunkvoll eingerichtete Bibliothek, einen Aufenthaltsraum für die Jugendlichen mit Töggelikasten, eine Kantine, die beiden Geschlechtern zur Verfügung steht – und wo auch die Männer eine Küche haben – und Waschräume. Dazwischen sind das Büro des Imams und des Vorstands eingerichtet.

Die Bibliothek Dominik Rickli
Das Büro des Imams Dominik Rickli
Das Schulzimmer Dominik Rickli
Im Büro des Imams Dominik Rickli
Der Waschraum Dominik Rickli

Der Imam arbeitet zu 100 Prozent in der Gemeinschaft. «Oder sogar 105 Prozent», sagt Hamidi lachend. Er betet fünfmal am Tag vor der Gemeinschaft, unterrichtet Kindern und Erwachsenen die arabische und die albanische Sprache und hat ein offenes Ohr, falls ein Mitglied der Gemeinschaft Redebedarf hat.

Im Gespräch mit der Polizei

Die albanisch-muslimische Gemeinschaft zählt in Biel rund 480 Mitglieder. Sie kommen aus der ganzen Region. Diese Gemeinschaft lebt und ist fast schon überraschend offen. Mitglieder sitzen in der Kantine gemeinsam mit Besuchern bei Kaffee und albanischem Essen zusammen und diskutieren, alle werden freundlich aufgenommen.

Ein Kantonspolizist gesellt sich in ziviler Kleidung dazu. Man kennt sich bereits. Die Polizei pflegt einen aktiven Austausch mit der albanisch-muslimischen Gemeinschaft, wie auch mit den anderen muslimischen Glaubenszentren der Region. Um Extremisten früh zu erkennen. Das werde auch von der Gemeinschaft begrüsst, sagt Hamidi: «Wir wollen keine Extremisten.»

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Nicolas Geissbühler

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