MenschenSeelandTiere & Natur

Forscher vor Rätsel: Dieser seltene Vogel fühlt sich im Seeland besonders wohl

Am Rande des Seelands fliegt derzeit ein besonders seltener Vogel herum – allerdings wirft sein Dasein Fragen auf. Ein Seeländer Fotograf ist besonders begeistert.


Nicolas Geissbühler (Bieler Tagblatt)

23.10.2024, 18:10

Sie hat azurblaue Federn, ist fast so gross wie eine Krähe und hält sich nur als Durchzüglerin in der Schweiz auf: die Blauracke. Derzeit hält sich ein Exemplar am Rande des Seelands auf, genauer in Grächwil bei Meikirch. Der seltene Vogel verzückt dort die Tierfotografen der Region.

So etwa Urs Schaefer aus Aarberg. Er versucht bereits seit einiger Zeit, eine Blauracke vor die Linse zu bekommen. Letztes Jahr habe er zwar ein Exemplar einer Blauracke in Fraubrunnen gesehen, dieses aber nicht fotografieren können.

Urs Schaefer

Nun gelangen ihm mehrere Bilder einer Blauracke in Meikirch, und er feierte so seine persönliche Premiere, wie er sagt. Möglich war dies allerdings nur, weil sich das Exemplar sehr atypisch verhält. Denn: Der Vogel ist bereits seit mindestens einem Monat am selben Ort zwischen Biel und Bern. Und so ein langer Aufenthalt sei aussergewöhnlich, wie Livio Rey von der Schweizerischen Vogelwarte Sempach sagt.

«Normalerweise bleiben sie nicht länger als ein paar Tage.» Die Blauracke in Meikirch sei zum ersten Mal am 10. September gesichtet worden, hält sich inzwischen also seit fast anderthalb Monaten am gleichen Ort auf.

Drastischer Rückgang

Dem seltenen Vogel scheint es am Rande des Seelands zu gefallen – oder zumindest findet er hier derzeit genügend Nahrung, wie Rey sagt. Sonst gebe es keine Gründe, dass die Blauracke sich so lange am selben Ort aufhält. Auch wenn die Landschaft um Meikirch genau ihr Ding wäre: «Sie ist gerne in warmen und halb offenen Kulturlandschaften anzutreffen», sagt Rey.

Früher sei die Blauracke öfters in der Schweiz zu Gast gewesen, sagt Rey. Allerdings haben die Bestände ab Mitte des letzten Jahrhunderts in ganz Europa abgenommen, weshalb auch hierzulande weniger Exemplare zu sehen waren.

Der Rückgang sei durch die Intensivierung der Landwirtschaft im Lauf des 20. Jahrhunderts bedingt, wodurch viele Grossinsekten verschwanden, von denen sich die Blauracke ernährt, so der Vogelexperte. Heute sei sie ein «alljährlicher, aber seltener» Gast. Gebrütet habe sie in der Schweiz nie.

Jäger der seltensten Vögel der Schweiz

Zumindest den Fotografen Urs Schaefer freut die Rückkehr des schillernden Vogels. Er konnte mit den Fotos des Tieres einen speziellen persönlichen Erfolg verbuchen. Denn der Aarberger ist seit einigen Jahren mit der Kamera auf der Jagd nach den seltensten Vögeln des Landes. So konnte er etwa schon Eisvogel, Bienenfresser, Bartgeier, Schwarzspecht, Rotfussfalke, Gleitaar und Pfuhlschnepfe fotografieren. Ein spezielles Erlebnis hatte er mit einem Bartgeier: «Umgeben von Bergen, oben am Rand einer Felswand stehend, diesen riesigen Vogel über sich hinwegfliegen zu sehen, ist unglaublich eindrucksvoll.»

Mit seinen Vogelbildern will er aber auch Menschen begeistern: «Wenn jemand sagt, ‹diesen Vogel habe ich noch nie gesehen›, habe ich doch wieder jemandem einen Hinweis auf unsere vielfältige Natur geben können.»

Urs Schaefer
Urs Schaefer
Urs Schaefer

Schaefer fotografiert zwar bereits seit jungen Jahren, sei aber erst nach seiner Pensionierung so richtig in die Materie eingetaucht. Erst mit Landschafts- und Reisefotografie, dann kaufte er sich ein Teleobjektiv und machte damit Jagd auf Blumen, Schmetterlinge und Libellen.

«Als mir dies immer besser gelang, versuchte ich auch, Vögel zu fotografieren. Dazu benötigte ich aber noch ein besseres Teleobjektiv», sagt Schaefer. So konnte er die Vögel schliesslich aus einer ausreichenden Entfernung ablichten, sodass er diese nicht mehr verschreckte. Als Königsdisziplin lernte er, Fotos von fliegenden Insekten und Vögeln zu machen. Dazu war aber mehr nötig als nur ein grosses Objektiv. Und zwar lernte Schaefer viel über das Verhalten der Vögel, wie ihre bevorzugten Aufenthaltsorte, ihre Nahrung und bei welchem Wetter und welcher Tageszeit die Tiere aktiv sind. Und nur so würden dann solch schöne Bilder wie die der Meikircher Blauracke entstehen.

Sie wird gehen – und vielleicht wiederkommen

Ewig haben die Tierfotografinnen und Tierfotografen aber nicht mehr Zeit, um den blauen Vogel in Meikirch abzulichten, wie lange er noch in der Region zu sehen ist, sei ungewiss. «Früher oder später wird er abfliegen, denn die Blauracke überwintert in Afrika», sagt Livio Rey von der Vogelwarte.

Allerdings könnte der Vogel in Zukunft immer öfters anzutreffen sein: «Mit der Klimaerwärmung ist es möglich, dass die Blauracke wieder häufiger in der Schweiz auftritt, was in den letzten Jahren bereits zu beobachten war», sagt Rey. Dies könne aber auch ein negatives Zeichen sein und mit den Dürren in Südeuropa zusammenhängen, vor denen die azurblauen Vögel flüchten.

Fusszeile Icon

Nicolas Geissbühler

Mehr Artikel