
Erste neue Tiere und viele Projekte: Biels Tierparkleiter im Interview
Biel hat einen neuen Tierparkleiter. Nach einem halben Jahr im Amt fragen wir Luca Bordoni, was er von «seinem» Zoo hält und welche Tiere in der nächsten Zeit am Bözingenberg einziehen.
7.10.2024, 0:03
Lange blieb es still im Bieler Tierpark am Bözingenberg. Dann passierte in den letzten zwei Jahren plötzlich sehr viel: Ein neuer, junger Direktor wurde angekündigt. Sven Fässler kam aus dem grossen Zoo Zürich – und brachte sogleich drei Wölfe mit nach Biel, die zur neuen Hauptattraktion des Tierparks wurden.
Dann, nach rund einem Jahr im Amt, verliess er den Tierpark Biel bereits wieder in Richtung Kinderzoo Rapperswil. Sein Nachfolger, ein Tessiner, der zuvor im Tierpark Goldau gearbeitet hat, übernahm die Leitung im April dieses Jahres. Ein halbes Jahr ist Luca Bordoni nun im Amt.
Luca Bordoni, Sie stammen aus dem Tessin. Wie kommen Sie mit dem Bieler Klima zurecht?
Luca Bordoni: In den ersten paar Monaten hat es fast nur geregnet, mir fehlte ein wenig der Sommer und die Sonne, wie ich es aus dem Tessin kenne. Aber ich bin Tierpfleger, die Arbeit muss immer erledigt werden, egal bei welchem Wetter. Ich wohne jetzt auch in Biel, ein paar Minuten vom Tierpark entfernt. Das muss so sein, weil ich jetzt sozusagen mit dem Tierpark verheiratet bin. Und er braucht viel Aufmerksamkeit, wie eine Frau (lacht).
Nehmen Sie sich zumindest die Wochenenden frei?
Nicht immer (lacht). Ich bin schon fast täglich hier im Tierpark, ausser wenn ich reise. Ich besuche sehr gerne andere Städte übers Wochenende – dort besuche ich auch immer einen Zoo. Und jetzt kann ich auch das Tessin als Tourist besuchen. Wie ein echter Deutschschweizer.

Nach Ihren ersten sechs Monaten hier im Tierpark Biel: Was gefällt Ihnen besonders, was empfinden Sie als schwierig?
Die ersten Monate hier waren wirklich gut, aber auch herausfordernd. Ich musste in kurzer Zeit viel lernen, und ich konnte keine gestaffelte Übergabe mit meinem Vorgänger machen. Dazu kam die Sprachbarriere. Glücklicherweise habe ich eine gute Biologin an meiner Seite, die mir einiges gezeigt hat. Besonders beeindruckt bin ich davon, dass der Tierpark kostenlos ist und wir so auch Menschen sensibilisieren können, die sonst kaum Zugang zu einem Zoo haben. Insbesondere für europäische Tiere, die oft weniger Aufmerksamkeit erhalten als exotische Arten. Viele Leute kennen zwar Löwen und Elefanten, wissen aber nicht, dass wir Steinböcke haben in den Alpen.

Ihre Muttersprache ist Italienisch. Wie erleben Sie die sprachliche Situation im Alltag in Biel und im Tierpark?
Als ich vor ein paar Jahren in den Tierpark Goldau kam, konnte ich gar kein Deutsch. Dort wollten alle nur Schweizerdeutsch sprechen, was es zusätzlich schwerer machte. Nun kann ich ein wenig Deutsch, lerne aber immer noch viel. Die Zweisprachigkeit in Biel hilft dabei: Dank der vielen verschiedenen Nationalitäten hier bemühen sich alle, miteinander zu kommunizieren. So ist es auch für mich leichter, besser Deutsch sprechen zu lernen. Es ist auch erstaunlich, wie gut man sich versteht, selbst wenn einer Französisch spricht und der andere auf Deutsch antwortet. Das macht Biel wirklich einzigartig.
Haben Sie ein Lieblingstier, auch im Tierpark Biel?
Besonders bin ich von Nashörnern und Krokodilen angetan, sie sind so mächtig und beide haben sich seit der prähistorischen Zeit kaum mehr entwickelt. Im Tierpark habe ich eine besondere Verbindung zu den Wölfen, insbesondere zum Weibchen im Rudel. Wölfe sind wunderschöne Tiere, und es ist schade, dass sie oft kontrovers diskutiert werden. Unsere Aufgabe ist es, diese Tiere zu zeigen und die Besucher über sie zu informieren, ohne uns auf eine Pro- oder Kontra-Position zu stellen.
Sie waren zuvor im Tierpark Goldau in der Innerschweiz tätig. Was könnte Biel von Goldau lernen und vielleicht auch umgekehrt?
Biel kann sicherlich von Goldau in Bezug auf Organisation und Arbeitsabläufe lernen. Dort gibt es standardisierte Prozesse, welche die tägliche Arbeit erleichtern. Und der Eintrittspreis macht vieles einfacher, wir hier sind auf Spenden und die Unterstützung der Stadt angewiesen.
Andererseits fehlt es in Goldau ein wenig an handwerklicher Arbeit. Hier in Biel kann man sich direkt um kleinere Reparaturen kümmern, ohne auf andere Abteilungen angewiesen zu sein.
Sollte der Tierpark Biel einen Eintrittspreis einführen?
Schwierige Frage. Für mich wäre das keine gute Idee. Dass er kostenlos ist, halte ich für einen der grossen Vorteile des Tierparks. Das gibt den Menschen, vor allem Familien, die Möglichkeit, die heimischen Tiere zu erleben, ohne dafür bezahlen zu müssen. Die Einführung eines Eintrittspreises würde auch erhebliche Kosten verursachen, etwa für Personal und Infrastruktur, wie Kassenhäuschen und Zäune. Trotzdem wäre die finanzielle Sicherheit, die ein Eintrittspreis mit sich bringt, wichtig, um den Park weiterzuentwickeln.
Braucht eine Stadt wie Biel überhaupt einen Tierpark?
Ja, unbedingt. Ein Tierpark wie unserer ist wichtig, um das Bewusstsein für heimische Tiere zu schärfen. Viele Menschen kennen exotische Tiere, aber europäische Arten sind ihnen weniger vertraut. Der Tierpark kann hier Aufklärungsarbeit leisten und nahe der Stadt Erholungsraum für Familien bieten.

Was sind Ihre nächsten Pläne und Projekte für den Tierpark?
Das Nächste ist die Renovierung des Spielplatzes, um den Besuchern, vor allem den Kindern, ein besseres Erlebnis zu bieten. Ausserdem arbeiten wir gerade an einem Insektenpfad mit einem grossen Insektenhotel und Trockenmauern für Reptilien. Es ist uns wichtig, ein Bewusstsein für die Biodiversität zu schaffen und den Besuchern zu zeigen, wie wichtig Insekten für unser Ökosystem sind.
Daneben sind im Frühjahr Zwergmäuse bei uns im Hirschhaus eingezogen und vor Kurzem haben wir eine Voliere für die gefährdeten Appenzeller Spitzhaubenhühner hergerichtet. Das ist eine Pro-Specie-Rara-Rasse.
Und dann haben wir ein neues Projekt, und zwar die Auswilderung von Habichtskäuzen. Die sind in Österreich ausgestorben und jetzt gibt es ein grosses Auswilderungsprojekt mit vielen beteiligten Zoos. Erst vor einigen Wochen ist ein Habichtskauz-Pärchen bei uns in Biel eingezogen.
Was ist Pro Specie Rara?
Pro Specie Rara ist eine nicht gewinnorientierte schweizerische Stiftung, welche die «Erhaltung und Förderung der genetischen Vielfalt in Fauna und Flora» als Ziel hat.
Insbesondere gefährdete Schweizer Nutztierrassen und Kulturpflanzen sollen so erhalten werden. Dazu gehören etwa das Evolèner Rind, die Walliser Schwarzhalsziege und die Capra Grigia (beide ebenfalls im Tierpark Biel vertreten), der Appenzeller Sennenhund und das Freiberger Pferd aus dem Jura, aber auch die Apfelsorte Berner Rose oder der Buchweizen zählen zu den geförderten Arten.
Ihr Vorgänger Sven Fässler hatte auch die Vision, mal einen Lebensraum für Fischotter zu bauen. Ist das auch ein Ziel von Ihnen?
Ja, die Idee der Fischotter ist an sich ein sehr spannendes Projekt. Allerdings ist es ein grosses und teures Vorhaben, das eine umfassende Planung und erhebliche finanzielle Mittel erfordert. Der Bau eines Lebensraums für Fischotter an sich – mit Schwimmbereich und Unterwasser-Einsicht – ist teuer, aber auch die Betriebskosten sind hoch. In den nächsten Jahren möchte ich mich zunächst auf kleinere Projekte konzentrieren und sehen, wie wir den bestehenden Lebensraum und das Wohl der Tiere verbessern können. Wenn jedoch ein grosszügiger Sponsor auftauchen würde, der dieses Projekt finanzieren möchte, wäre ich natürlich offen dafür, den Traum von einem Fischotter-Lebensraum zu verwirklichen.
Wie verlief die Übergabe mit Ihrem Vorgänger? Gibt es Projekte, die er begonnen hat und die Sie weiterführen möchten?
Die Übergabe war leider etwas holprig, da wir keine gemeinsame Zeit hatten. Er musste seine neue Stelle bereits antreten, bevor ich in Biel sein konnte. Dennoch stammen viele der aktuellen Projekte aus seiner Feder, wie zum Beispiel der Insektenpfad. Etwas habe ich verworfen: Honigbienen zu halten habe ich aufgrund der möglichen negativen Auswirkungen auf Wildbienen des Insektenpfades nicht weiterverfolgt.

Wie stellen Sie sich den Tierpark in 20 Jahren vor?
Es ist schwer, so weit in die Zukunft zu blicken. Ich wünsche mir, dass der Tierpark weiterhin einen starken Fokus auf Bildung und Sensibilisierung legt. Mehr Informationstafeln und Führungen für Besucher sind einige der Dinge, die ich umsetzen möchte. Wenn wir mehr Mitarbeiter hätten, könnten wir auch mehr Angebote für Schulklassen und Besuchergruppen schaffen.
Was, wenn Sie unbeschränkte Mittel und unendlich viel Platz hätten?
Mit unbegrenzten Mitteln und Platz würde ich definitiv versuchen, den Tierpark zu erweitern. Das Projekt der Fischotter würde ich angehen oder vielleicht sogar wieder einen Lebensraum für Luchse bauen (Anm. d. R.: Bis 2020 lebten Luchse im Tierpark. Die Anlage, in der nun die Habichtskäuze leben, ist nach heutigen Erkenntnissen aber nicht mehr artgerecht). Ausserdem würde ich ein Haus für einheimische Reptilien und Amphibien schaffen, da diese Tiere in Zoos kaum zu sehen sind. Zudem würde ich in mehr Personal und Technologien investieren, um optimale Lebensräume und Sicherheitskonzepte zu schaffen. Und natürlich: Mehr Auswilderungsprojekte und ein noch stärkerer Fokus auf gefährdete Tierarten und die Pro-Specie-Rara-Rassen wären für mich ein Ziel. Also die Schweizer Nutztierrassen zu schützen und erhalten.
Gehen auch Sie bereits nach einem Jahr wieder?
Nein, momentan ist es mein Traumjob. Es ist eine perfekte Stelle für mich, nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig. Ich möchte auch nicht in einen grösseren Zoo, denn dort sitzt man als Leiter viel mehr im Büro. Hier habe ich auch noch viel mit den Tieren zu tun. Ich fühle mich hier sehr wohl und sehe es als meine Aufgabe, den Tierpark weiterzuentwickeln, so habe ich noch nie an einen Wegzug gedacht. Viele Menschen haben mir gesagt, dass diese Stelle perfekt zu mir passt und auch zum Tierpark, der mit mir wachsen kann. Mein Fokus liegt jetzt darauf, das Wohl der Tiere und meines Teams zu sichern und den Tierpark voranzubringen. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht, und ich bin gerne bereit, diese Zeit zu investieren.
Zur Person
Luca Bordoni, 27
- Aufgewachsen im Tessin, 2017 Lehre als Wildtierpfleger mit exotischen Tieren in
einem Zoo im Tessin - Ab 2021 Tierpfleger im Natur- und Tierpark Goldau, im ornithologischen Verein der Stadt Zug und für das kantonale Veterinäramt des Tessins
- Seit 2022 Vorstandsmitglied im Schweizerischen Verband für die Berufsbildung
in der Tierpflege (SVBT) - Seit April 2024 Tierparkleiter in Biel
- Ist auf Instagram als «zookeeper_luca» unterwegs und klärt über das Tierreich auf. Er hatte in den letzten Jahren eine Partnerschaft mit dem Tessiner Fernsehen RSI.
So erhielt er den Übernamen «Der mit den Tieren spricht»
