
Er ist Herr der grössten Sammlung der Schweizer Luxusautos von Monteverdi
Das gesamte Werk des Schweizer Autoherstellers Monteverdi wurde erstmals präsentiert – extern in Biel. Mit dabei sind auch extrem seltene Wagen. Weshalb die aufwendige Reise?
15.06.2024, 8:42
«Wir gewähren unseren wertvollsten Autos Ferien in Biel», sagt der Ausstellungsleiter des Schweizer Verkehrshauses in Luzern, Daniel Geissmann, mit einem Schmunzeln. Er transportiert dieser Tage rund 50 seiner seltenen historischen Fahrzeuge per Lastwagen in die Tissot Arena. Im Rahmen der Classic-Car-Ausstellung Old Wheels wird das Werk des Binningers Peter Monteverdi gezeigt – und zwar sein gesamtes.
Monteverdi war erst Rennfahrer und produzierte bis 1982 als letzter Schweizer Hersteller Fahrzeuge «Made in Switzerland». Seine Autos waren meist Supersportwagen, oft nur in kleiner Stückzahl. Seit der Auflösung seines eigenen Museums organisiert das Verkehrshaus zusammen mit der Peter Monteverdi Automobilbau-Stiftung die weltweit grösste Sammlung der Monteverdi-Fahrzeuge.

Dieser Fundus ist allerdings so gross, dass nicht einmal das Verkehrshaus ihn in seiner Gesamtheit zeigen kann. Das ist in Biel anders, hier wird die ganze Sammlung zu bestaunen sein. «Praktisch vom ersten bis zum letzten Monteverdi kommen alle nach Biel», sagt Daniel Geissmann. Biel hat also für einen Tag die grösste Monteverdi-Ausstellung der Welt.

Gähnende Leere im Verkehrshaus
So umfassend sei Monteverdis Lebenswerk noch nie gezeigt worden – zumindest nicht seit der Schliessung des Monteverdi-Museums im Jahr 2017, sagt Geissmann. Er geht zielstrebig durch die Eingangshalle des Verkehrshauses und in den Innenhof. Unter einem Flugzeug hindurch betritt er die Halle des Strassenverkehrs, macht im Treppenhaus noch rasch die Toilettentüren zu, die jemand hinter sich offen gelassen hat.
Im ersten Stock – dort, wo normalerweise die Monteverdis ausgestellt sind – herrscht gähnende Leere.

Die Ausstellungsstücke sind alle bereits in einer anderen Halle oder auf dem Weg nach Biel. An der Autowand stehen noch vier Wagen aus der Schweizer Produktion, unter anderem der ikonische Monteverdi Hai 450.

Der Hai ist Geissmann besonders ans Herz gewachsen. Als Kinder hätten sie Quartette gespielt, bei denen Ziel ist, die besseren Werte als das Gegenüber zu haben, erzählt er. Da sei immer ein Monteverdi dabei gewesen, der schneller war als alle anderen. «Natürlich war das der Hai 450. Wenn du den hattest, wusstest du, du hast praktisch gewonnen», so der Ausstellungsleiter. Das sei eine Kindheitserinnerung, die ihn sein Leben lang begleite.
Seltener geht fast nicht
Vom Hai 450 wurden nur vier Stück gebaut, heute gibt es davon noch drei. Zwei davon werden am Sonntag im Seeland sein. In Biel wird aber auch ein Wagen zu sehen sein, der noch seltener ist: der Hai 650, der einen Formel-1-Motor als Herzstück hat. Für diesen Wagen dürfte die Rückkehr ins Seeland eine Art Heimkehr sein. Denn: Die Karosserie wurde im Seeland hergestellt.

Der Supersportwagen wurde erst nach dem eigentlichen Produktionsende von Monteverdi gebaut – es gibt nur zwei Autos. Ein Exemplar ist dieser Tage noch im Verkehrshaus ausgestellt, wird aber bald ebenfalls vorbereitet, um nach Biel zu reisen. Geissmann geht daran vorbei und aus der Strassenverkehrshalle und führt in die Luftfahrt-Ausstellung.
Gleich neben dem Eingang stehen gegenüber einem Kampfjet, von einem Absperrband umgeben, acht Autos in Reih und Glied. Darunter ist ein Formel-1-Bolide mit abmontiertem Frontflügel; auch er bereit für den Transport nach Biel. Um die 20 000 Franken kostet laut Geissmann das Verkehrshaus die ganze Aktion.

Als Zeichen für Monteverdis Lebenspartner
Weshalb er diesen Aufwand auf sich nimmt, hat mehrere Gründe: Einerseits könne das Verkehrshaus so im Seeland für sich werben. Geissmann findet, die Region Biel-Bern würde bei der starken Präsenz des Museums in der Zentral- und Ostschweiz zu kurz kommen. Andererseits sagt Geissmann: «Die Marke und die Person Monteverdi haben eine solche Inszenierung verdient.»
Vor allem aber will er Paul Berger, Monteverdis Lebenspartner, nochmals eine grosse Bühne bieten. Um ihn und das Werk Monteverdis zu würdigen, das er mitgeprägt hat. Der über 80-Jährige wird am Sonntag ebenfalls in Biel sein.
Dennoch: «Es ist eine absolute Spinnerei», sagt Geissmann, gleichzeitig lachend und ein bisschen stolz.

Mit der Ausstellung in Biel will Geissmann auch andere auf den Plan bringen und ein Vorbild sein. Er findet, historische Autos seien von einem Gebrauchsgegenstand zu Kunstobjekten verkommen. «Wir machen das Gegenteil, wir bringen nämlich die teuren Autos zu den Leuten.» Denn die Wagen seien immer noch zum Brauchen da, so der Ausstellungsleiter.
So will er die Wagen in der Tissot Arena auch nicht völlig vom Publikum abriegeln: Es soll möglich sein, sich auch mal in einen der Sportwagen zu setzen oder ihn zu berühren – unter fachkundiger Anleitung natürlich. «Ein Auto ist nicht nur eine Karosserie, es gibt auch ein Interieur, das ein Eigenleben hat. Man riecht die Öle und die Stoffe, das gehört alles dazu», sagt Geissmann.

Damit die durchschnittliche Bevölkerung alte Autos erleben kann, hat Geissmann gerade zwei Ausstellungsautos – einen Porsche und einen VW-Käfer – an Junge vergeben. Sie hätten über 600 Bewerbungen erhalten, nun werden die beiden Wagen für ein Jahr von einem 19-Jährigen und einem 23-Jährigen gefahren.
Der «unerreichbare Traum» wurde real
Geissmann selbst wird das ganze Wochenende in Biel sein – allerdings weniger, um nach dem Rechten zu sehen, als vielmehr, um Rede und Antwort zu stehen. Als Experten will er sich nicht bezeichnen, da sei er «einfach so reingewachsen», meint Geissmann. Er sei in sehr einfachen Verhältnissen in Bümpliz aufgewachsen und Monteverdi war für ihn immer «ein unerreichbarer Traum». «Und plötzlich bist du Teil dieses Traumes», sagt Geissmann.
Er steht neben einem der wenigen Privatwagen, die Teil der Ausstellung in Biel sein werden. Ein kleines, rotes MBM-Coupé, die Vorgängermarke von Monteverdi. Das Cabrio hat Geissmann vor ein paar Jahren selbst gekauft – «damit es nicht ins Ausland geht», sagt er.

Auf der Seite der Halle steht ein Anhänger, beladen mit einem Holzchassis eines Autos. Diese «Stilstudie» kommt ebenfalls nach Biel – und dürfte der einzige Gegenstand sein, der nicht selbst fahren kann. Denn: Alle anderen Autos sind noch fahrtüchtig. «Aber ich würde nicht mit jedem davon auf die Strasse», witzelt Geissmann.

Er geht an einem Mähdrescher im Innenhof vorbei und steht vor zwei Geländewagen, ebenfalls der Marke Monteverdi.

Diese seien die ersten Wagen des Basler Werks gewesen, die wirklich Erfolg hatten, so Geissmann. «Vorher wollte die Schweiz Monteverdi nie so richtig.»
Sogar der Bundesrat habe seine Mercedes-Autos nicht gegen die Schweizer Fahrzeuge austauschen wollen. Am Sonntag dürften sie in der Tissot Arena nun die Aufmerksamkeit erhalten, die ihnen laut Geissmann zusteht.