Das letzte Mal Royal Arena Festival: Eine Kritik in elf Ratings
Das Royal Arena Festival wurde im Rahmen des Lakelives in Nidau ein letztes Mal gefeiert. Wie waren die Acts und wie die Crowd? Eine grosse Enttäuschung gab es.
10.08.2025, 19:04
Nach über 25 Jahren Hip-Hop-Festival im Seeland ist Schluss: Am Samstag ging mit einem letzten Royal-Arena-Abend am Lakelive ein wichtiges Kapitel Kultur vorerst zu Ende. Zeit für einen Blick zurück auf den Abend – und auf all die Jahre Royal Arena.
Fischermätteli Hood Gäng in der brütenden Hitze
Bereits um 17 Uhr und noch in brütender Hitze eröffnet das Berner Trio mit den Rappern Iroas, Migo und Pit die Container Stage. Obschon noch etwas hitzeträge, hat sich bereits eine beachtliche Menschenmenge angesammelt, dennoch müssen die drei Herren auf der Bühne die Leute immer mal wieder bitten, näherzukommen – was dann nach einer halben Stunde auch vollends klappt. So und durch ihre sympathisch-selbstironische Art schaffen es die drei Künstler trotz Hitze, dass die gesamte Crowd abgeht. Am Schluss bleiben zwei grosse Fragen: Wieso nicht eine grössere Bühne und wieso nicht später abends?
Rating: 7/10 (wegen der Hitze)
Echter Rap von Dilated Peoples
Im Anschluss wartet echter Boom-Bap-Hip-Hop auf das Festivalpublikum: Dilated Peoples aus Los Angeles auf der Hauptbühne. Sie spielen gleich als zweiten Song einen ihrer grossen Hits «You Can’t Hide, You Can’t Run». Auch hier hat es bereits am frühen Abend eine grosse Menschenmasse vor die Mainstage geschafft. Die drei Herren auf der Bühne bringen viel Energie mit und animieren das Publikum. Dieses macht artig mit, ist aber doch noch etwas träge. Das mag an der Hitze liegen – oder mancherorts auch an den Joints, die hie und da herumgereicht werden. Zum Abschluss spielen Dilated Peoples natürlich noch ihren grössten Hit, «Worst Comes To Worst».
Rating: 8,5/10
Schweizer Talent ohne Publikum: Lum
Die Newcomerin Lum hat viel Talent, wie sie zuletzt am SRF-Bounce-Cypher bewiesen hat. Am Freestyle-Event des Hip-Hop-Kanals rappte sie ihren Part in sieben verschiedenen Sprachen. Selbst bezeichnet sie sich als Mischung aus Doja Cat und Rosalia – was zugegebenermassen ziemlich gut passt. Mit viel Energie, gewagten Moves und experimenteller Musik bewegt sich die Lausannerin, die jetzt in Zürich wohnt, über die Container Stage. Und spielt dann sogar den siebensprachigen Cypher-Part. Schade nur, hat es fast kein Publikum: Der Platz direkt vor der Bühne ist gähnend leer, nur ein paar Kinder nutzen ihn für wilde Tanzeinlagen. Lum lässt sich aber nicht beirren, tanzt mit den Kindern und liefert ab. So schaffen es bis zum Schluss doch noch ein paar Erwachsene ganz vor die Bühne.
Rating: 5,5/10 (wegen der Crowd, die Performance alleine wäre locker eine 8/10)
Hilltop Hoods überzeugen mit viel Bewegung
Die gestandene Hip-Hop-Gruppe aus Australien ist ein sicherer Wert: Sie hat ein paar bekannte Hits und liefert normalerweise solide Liveshows – so auch am Lakelive. Bereits von Beginn an rennen sie die Bühne hoch und runter, obschon es immer noch ziemlich heiss ist. Trotzdem können sie dies bis zum Ende ihres Konzertes durchziehen, auch wenn die Intensität der Bewegung etwas abnimmt. Auch sie spielen ihren grössten Hit bereits zu Beginn, damit schienen sie die Crowd aber so richtig gepackt zu haben. Sie überzeugen zudem mit einer kompletten Liveband inklusive zwei Bläsern und einer Bläserin. Einziger Kritikpunkt: Das Ende der Show war etwas gar abrupt.
Rating: 9/10
OG Keemo reisst fast die Zeltbühne ab
Er dürfte im Vorfeld der von der Hip-Hop-Szene meistgehypteste Act des Festivals gewesen sein: der Deutsche OG Keemo. Dementsprechend voll ist das Zelt der Circus Stage auch, als eine Frau aus dem Publikum ihn ankündigt. Ja, anstatt sich durch Moderator Remo Widmer vorstellen zu lassen, lässt OG Keemo eine Dame aus der ersten Reihe den Text vorlesen. Viel verstanden hat man zwar nicht, dafür ist die Begeisterung spürbar. OG Keemo liefert ab, anders kann man das kaum sagen. Er spürt das Publikum, steigert die Stimmung stetig und nach ein paar Songs gehörten Moshpits dazu. Bei einem etwas ruhigeren Track muss der Rapper die Crowd gar bremsen. Dennoch: Ihm und seinem DJ scheint es am Bielersee zu gefallen. Nach der Show nimmt sich OG Keemo gar noch Zeit, um mit Fans vor der Bühne ein paar Fotos zu schiessen.
Rating: 9,5/10
Dankbare Gangster-Rapper von Fonky Family
Echten französischen Strassenrap gibt es von der Clique Fonky Family aus Marseille. Die Crowd ist von Beginn an voll da, und die Rapper auf der Bühne stehen dem in nichts nach. Mit epischem Bühnenbild (das riesige Band-Logo im Hintergrund macht Eindruck) und Flammen performen die Herren ihre Hits. Und obschon sie seit fast 20 Jahren keine neuen Lieder mehr herausgegeben haben, feiert das Publikum voll mit. Die Rapper bestechen mit ihrer bescheidenen und dankbaren Art. Als ein paar Minuten nach Ende der Show nochmals einer der Franzosen von Fonky Family auf die Bühne kommt, jubelt die Menge noch einmal kräftig.
Rating: 9/10
Die Enttäuschung des Abends: Headliner G-Eazy
Wie gut Headliner G-Eazy mit seinem oft romantischen Pop-Rap an einen Royal-Arena-Abend passt, wurde im Vorfeld in der Szene oft infrage gestellt. Die Vorfreude vor dem Konzert ist gross, zumindest in den vordersten Reihen, die fast gänzlich weiblich besetzt sind. G-Eazy ist zwar sichtlich bemüht, Stimmung zu machen, doch dies gelingt irgendwie einfach nicht. Gründe dafür könnten an zwei Orten gefunden werden: Bei G-Eazy selbst, der mit seiner eher schwachen Gesangs- und Rapleistung nicht wirklich über die vordersten Reihen durchdringen konnte. Er lässt sich zudem oft von Backing-Vocals tragen, also einem Playback im Hintergrund, und rappt manchmal nur sehr wenig live.
Mitschuldig dürfte aber auch das Publikum sein, das dem Headliner zu grossen Teilen gar keine Chance gibt. Denn bereits zu Beginn des Konzerts ist das Gelände vor der Hauptbühne nur spärlich gefüllt. Einzig, als er «Fuck Donald Trump»-Sprechchöre anzettelt, scheint ein grösserer Teil der Menge mitzumachen. Dabei wäre die Show ziemlich solide – wenn auch die Bilder auf dem grossen Screen auf der Bühne sehr zusammenhangslos wirken. Zum Schluss sagt G-Eazy zwar «Switzerland, I love you all so much» – Switzerland ist wohl das meist gesagte Wort des Rappers in seiner Show – schüttelt aber gleichzeitig auch ein bisschen den Kopf.
Rating: 3/10
Die Stimmung: Immer noch eine Familie?
Das Royal Arena Festival war bekannt für seine friedliche, hip-hop-liebende Fanbasis, die oft als Familie bezeichnet wurde. Dieses Familiengefühl kam auch am Lakelive wieder auf. Generationen von Hip-Hop-Fans trafen sich und feierten diese Kultur. Das zeigt sich etwa bei Dilated Peoples, als der DJ zwischendurch eine Scratch-Einlage liefert, die die Zuschauenden mit viel Applaus goutieren. Dabei wurde aber klar ersichtlich: Das Publikum steht eher auf gestandenen Boom-Bap-Rap, als auf innovative Newcomer. Und auch der Teil-Boykott von G-Eazy muss Abzüge geben.
Rating: 7,5/10
Das Line-up
Am Samstagabend fällt etwas immer wieder auf: Die Konzerte sind alle von grosser Qualität, es stehen keine zugedröhnten Rapper auf der Bühne, die zu irgendwelchen Playbacks auf der Bühne herumhüpfen. Die meisten Acts haben eine Liveband, rappen alles live und können das Publikum mitreissen. Das Line-up ist eines Royal Arena Festivals definitiv würdig und wäre so auch an einem Abend in Orpund gebucht worden – mit der Ausnahme von G-Eazy. Dass dies aber auch nicht der Wunschkandidat der Festival-Organisatoren war, zeigt, wie schwer es die Szene gerade hat. Es gab nämlich schlicht keine bezahlbare Alternative, die gerade auf Tour wäre.
Rating: 9/10 (wegen G-Eazy)
Die vier Säulen der Hip-Hop-Kultur
Hip-Hop umfasst vier Sparten, die das Royal Arena Festival jeweils lebte: Rap, DJ’s, Breakdance und Graffitis. Auch am Lakelive bekamen alle Sparten ihren Platz, wenn auch einen kleineren. Gerade die Graffiti-Galerie fiel sehr klein aus, wenn auch qualitativ sehr hochstehend. Dafür gab es ein letztes Breakdance-Battle, nachdem man letztes Jahr noch darauf verzichtet hatte. Hip-Hop-DJ’s bekamen auf den Nebenbühnen einen Platz.
Rating: 7/10
Die letzte Ausgabe im Vergleich mit den Royals über die Jahre
Klar, ein Royal Arena Festival in Orpund ist unvergleichbar. Dennoch muss festgehalten werden: Die Stimmung am Lakelive kam dem Familiengefühl in Orpund verdammt nahe. Vom Line-up her ordnet sich die letzte Ausgabe irgendwo im Mittelfeld ein. Mit einem anderen Headliner hätte man dieses aber klar weiter oben verortet. Immerhin – und das muss man hier betonen – von den anfangs angekündigten Acts hat kein einziger abgesagt, ganz im Gegensatz zu anderen Jahren.
Rating: 8,5/10 (in Anbetracht der schwieriger werdenden Situation in der Szene)