
Darum können die bedrohten Haselhühner am Chasseral nicht mehr gezählt werden
Ein gemeinsames Projekt der Vogelwarte Sempach und des Naturparks Chasseral zum Zählen von Haselhühnern muss gestoppt werden. Grund ist der Klimawandel.
11.01.2025, 19:35
Haselhühner sind extrem scheue Tiere: Am liebsten verstecken sie sich – schliesslich sind sie mit dem braun-schwarz-weiss gesprenkelten Federkleid auch prädestiniert dafür, im Unterholz abzutauchen. Und sie sind auf der roten Liste der gefährdeten Arten der Schweiz als «potenziell gefährdet» eingestuft. Damit dürfte ein Mensch sie nur selten zu Gesicht bekommen, obschon sie ungefähr die Grösse einer Strassentaube haben.
Obschon unbemerkt, sind sie in der Region heimisch, vor allem in den Jurahöhen. Deswegen hat der Naturpark Chasseral gemeinsam mit der Schweizerischen Vogelwarte Sempach 2013 ein Projekt zur Zählung der scheuen Vögel gestartet. Dieses kann nun nicht fortgeführt werden, wie der Naturpark mitteilt. Grund: der Klimawandel.
Die Messung wurde bisher nämlich jeweils anhand der Spuren im Schnee durchgeführt. In abgesteckten Feldern mit je 250 Meter Seitenlänge wurden die Spuren der Hühner gezählt – sowohl Fussspuren als auch Hinterlassenschaften wurden genau vermerkt. Dies sei aber mit den immer unsichereren Schneeverhältnissen in Zukunft nicht mehr möglich.

Der Grund, weshalb die Haselhühner überhaupt gezählt wurden: Sie leben vor allem in den Alpen, daneben auch im Jura. Allerdings gehen die Bestände der kleinsten Schweizer Raufusshühner gerade im östlichen Jura seit Jahren zurück.
«Nur im östlichen Jura, in der restlichen Schweiz scheint dies nicht der Fall zu sein», sagt Livio Rey von der Vogelwarte Sempach. Grund dafür sei, dass in dieser Region mehr Buchen wachsen, was den Wald weniger geeignet für das Haselhuhn mache.
Mit den Zählungen wollte man untersuchen, wo genau sich die Haselhühner am wohlsten fühlen – und wie man sie dort am besten schützen kann.
Wahnsinnig viel Aufwand
Die Zählungen seien jeweils enorm aufwendig gewesen, sagt Anatole Gerber, Verantwortlicher für Arten und Lebensräume beim Naturpark Chasseral. Insgesamt 188 Felder mit einer Fläche von je über 60’000 Quadratmetern mussten abgesucht werden. Zwischen 2013 und 2019 hätten Gerber und seine Helfenden in der Regel jeweils zwischen drei und sechs dieser Felder pro Tag absuchen können. Das sei das absolute Maximum, vorausgesetzt, die untersuchten Felder liegen sehr nahe beieinander. So habe man in zwei Messperioden auf 42 Feldern Spuren finden können.
«Es waren anspruchsvolle Tage, mit langen Wegen zu Fuss»
Insgesamt waren jeweils neun Leute an der Zählung beteiligt: zwei Mitarbeitende der Vogelwarte, zwei Praktikanten und Gerber vom Naturpark sowie vier erfahrene Ornithologen aus der Region. Alle hätten schon Erfahrung mit dem Haselhuhn gemacht, was unabdingbar sei: «Man muss schon wissen, wo genau man die Spuren und den Kot suchen muss, sonst hat man keine Chancen, solche zu finden», so Gerber.
Resultate im Schnee kaum genügend
Nun muss also eine neue Methode her. Die Spurensuche im Schnee sei zu abhängig von Schneebedingungen, «insbesondere weil es mit dem Klimawandel tendenziell immer weniger Schnee gibt», sagt Gerber. Dadurch könnten die Resultate von Zählungen in verschiedenen Jahren kaum mehr verglichen werden und würden damit Bestandsschätzungen unmöglich machen.

Im Moment sei keine Wiederaufnahme der Haselhuhn-Zählung im Schnee geplant, sagt Gerber. Allerdings hätten die bisherigen Zählungen bereits viele Erkenntnisse gebracht. Etwa wo es im Park tatsächlich am meisten Haselhühner gibt – was vorher kaum bekannt gewesen sei – oder auch wo Schutzmassnahmen für das Habitat der Hühner am sinnvollsten seien.
Trotzdem gebe es verschiedene Methoden, mit denen sich die Haselhühner auch ohne Schnee zählen lassen, der Naturpark habe schon mehrere Versuche durchgeführt, sagt Gerber. «Wahrscheinlich werden wir mit ‹Loggern› arbeiten», sagt er. Das sind Geräte, die man im Feld installiert, um Tonaufnahmen zu festgelegten Zeiten zu machen. Diese Aufnahmen können dann per Computer analysiert und nach Rufen und dem Gesang von Haselhühnern untersucht werden.
«Vieles noch offen»
Aber auch diese neue Methode sei noch nicht voll ausgereift: Um wirklich effizient zu sein, müsste die Suche nach Haselhuhn-Rufen und Gesang automatisiert sein, was im Moment noch in Entwicklung sei. Mit der Vogelwarte Sempach habe man aber einen sehr guten Partner in diesen Forschungsfragen. Der Kanton Neuenburg habe ebenfalls schon solche Aufnahmen durchgeführt. «Auch dort lassen sich Synergien finden», sagt Gerber. «Viele Fragen sind noch aber noch offen.»
Wie viele Haselhühner im Gebiet des Chasseral leben, sei sehr schwer zu sagen, meint Gerber. «Wir sind jetzt schon zufrieden, dass wir etwa wissen, wo es diese Hühner gibt.» Er schätzt grob, dass im Gebiet des Parks – also auf einer Fläche von 549 Quadratkilometern – zwischen 40 und 200 Haselhühner leben dürften.