
Darum ist das Bieler Festival Pod’Ring viel cooler als der «Güsche»
Ein Abend am Pod'Ring, einem Gratisfestival in der Bieler Altstadt. Warum das Festival locker mit dem gleichzeitig stattfindenden Gurten mithalten kann.
9.07.2023, 19:05
Näherte man sich am Samstagabend der Bieler Altstadt, hörte man bereits aus einiger Distanz Musik. Folgte man diesen Tönen, zog es einen in den Ring, wo diese Tage eine grosse Bühne aufgebaut war – die Hauptbühne des Pod’Ring. Es war aber nicht die einzige: Im Ganzen lockten vier Bühnen mit einem Potpourri verschiedenster Genres.

Auch das Gurtenfestival hat vier grössere und kleinere Bühnen, auf denen diverse Künstler und Künstlerinnen auftreten – viele davon im Mainstream, was die musikalische Bandbreite einschränkt. Die Besuchenden erleben weniger Überraschungen, wenn sie bei den meisten Konzerten vorneweg wissen, was sie erwartet. Am Pod’Ring gilt dies nicht, die meisten Menschen liessen sich durch den Abend von Bühne zu Bühne treiben.
Kirchenidylle und ein Sänger in Unterhosen
Bereits auf der anderen Seite der Kirche stand die nächste Bühne. Die malerische Kirchenterrasse gibt der Bühne einen idyllischen Touch. Auf dieser Bühne spielte am Samstagabend spät die Zürcher Künstlerin Nola Kin. Sie ist Singer-Songwriterin und spielte mit ihrer Band ein stimmiges Konzert. Ihre Musik klingt nach einem Mix aus Bon Iver und Norah Jones, was perfekt auf die Kirchenterrasse unter die grossen Kastanienbäume gepasst hat. Gut möglich, dass sie in Zukunft noch die ganz grossen Festivalbühnen der Schweiz bespielen wird.

Stieg man die Treppe von der Kirchenterrasse hinunter und ging am St. Gervais vorbei, hörte man in einer Zwischengasse wieder Musik. Gut versteckt war dort die Bühne im Höfli zu entdecken, die mit einer intimen Stimmung lockte: Mitten vor der Bühne stand ein Baum, Stühle luden zum raschen Ausruhen ein.
Die vierte Bühne auf der Obergasse vermittelte wieder eine ganz andere Stimmung, die an grosse Open-Air-Konzerte erinnerte. Dort gab der Mundart-Rapper Rotchopf seine Songs zum Besten – und zeigte dabei eine beeindruckende musikalische Breite. Er bewies sich stilsicher sowohl auf modernen Trap-Beats als auch auf souligen Oldschool-Tracks. Passend zu den Stilrichtungen passte er jeweils sein Outfit an und stand einmal nur in Unterwäsche vor dem Publikum.

Die musikalische Bandbreite am Pod’Ring war allgemein bemerkenswert: Den Abschluss auf der Hauptbühne machte beispielsweise der Sänger und Rapper aus Lesotho, Morena Leraba. Er verband geschickt traditionelle Musik aus seiner Heimat im Süden Afrikas mit modernem Electro und Rock. Was dabei herauskam, kann sich etwa als afrikanischer Psychedelic Rock bezeichnen lassen. Morena Leraba konnte mit seiner Stimme und seinem verzierten Holzstock das Publikum in seinen Bann ziehen.
Genauso abwechslungsreich wie die Musik sind auch das Rahmenprogramm am Pod’Ring sowie das Essen und die Menschen. Die Besucher und Besucherinnen scheinen aus allen Alters- und Interessengruppen zu kommen, trotzdem sieht man überall fröhliche Gespräche und lachende Gesichter. Und auch kulinarisch konnte der Pod’Ring eine ganze Weltreise an Köstlichkeiten bieten.

Was im Vergleich mit dem Gurtenfestival am Pod’Ring fehlt: eine Party bis in die tiefen Morgenstunden. Dies wäre aber mitten in der Altstadt auch schwierig und eine Zumutung für die Altstadtbewohner. Dafür hat man in der Bieler Altstadt wesentlich mehr Bewegungsfreiheit als auf dem Berner Hausberg.

Der Pod’Ring kann also in Sachen Location, Publikum, Musikbreite und Kulinarik locker mit dem gleichzeitig stattfindenden Gurtenfestival mithalten. Aber am meisten überzeugt der Preis, ein Viertagespass für das Gurtenfestival kostet mindestens 339 Franken, während ein Badge für den Pod’Ring 20 Franken kostete, freiwillig war und Gültigkeit für die ganze Woche hatte.
Das war der Pod’Ring 2023 – eine erste Bilanz
Das rund zwanzigköpfige Organisationskollektiv gibt sich in der Medienmitteilung zufrieden. Während der fünf Tage hätten rund 11’000 Menschen aus allen Altersgruppen die Bieler Altstadt besucht. Allein am Freitag seien rund 3000 Besuchende gekommen, so die Veranstalter. Zudem betonen sie Regionalität und Nachhaltigkeit: einerseits beim Essensangebot, andererseits bei der Zusammenstellung des Kulturprogramms.
Neben internationalen und nationalen Acts fanden vor allem regionale Kunstschaffende einen Platz am Pod’Ring. Das Essensangebot sei zudem ein grosser Magnet geworden. Es haben knapp 50 Veranstaltungen mit weit über 200 Künstlern und Künstlerinnen stattgefunden.
Auch mit dem Wetter gibt sich das Kollektiv mehrheitlich zufrieden. Man habe zwar von grossartigem Sommerwetter bis hin zu heftigem Sturm alles gehabt, jedoch nie mit längerem Regen. Deswegen seien auch die Publikumszahlen minim unter den Erwartungen geblieben. Die Budgetvorgabe von 375 000 Franken könne so mit den Einnahmen von Badgeverkauf und Bars wohl nicht ganz erreicht werden.