ReportagenSeeland

Alle gehen nach Bern, doch auch in Biel lässt sich’s hervorragend «böötle»

Was tun, wenn man dem Rummel zwischen Thun und Bern entfliehen will? Obwohl wenig bekannt, kann man auch hier in der Region ausgezeichnet «Aareböötle».


Nicolas Geissbühler (Bieler Tagblatt)

26.07.2023, 16:20

Beim Wort «Aareböötle» denken viele sofort an die bekannteste Strecke zwischen Thun und Bern. Doch diese ist an schönen Sommerwochenenden mit Gummibooten überfüllt. Was hat man also für Optionen, wenn man diesem Rummel entfliehen will? Gibt es gar gute Alternativstrecken in der Region? Das Bieler Tagblatt hat das getestet und gibt hier einen Ratgeber rund ums «Böötle» im Seeland.

Matthias Käser

Man kann auch in Biel «Aareböötle» – und sogar hervorragend gut, das lässt sich gleich vorneweg sagen. Der Entscheid fällt an diesem warmen Julitag auf die Strecke Nidau–Orpund. Die Sonne scheint, die Aare führt wenig Wasser. Beste Bedingungen also. Startpunkt ist der Bahnhof Biel, von da aus geht es mit dem Bus nach Nidau, Herrenmoosweg und zu Fuss wenige Meter weiter ans Ufer des Nidau-Büren-Kanals.

Die kleine elektrische Pumpe leistet einen grossen Teil der Arbeit, doch müssen wir feststellen, dass es noch einer Fusspumpe bedarf: Sie ist zu schwach, um das Gummiboot ganz zu füllen. Nach einer halben Stunde «harter» Arbeit kann das Boot via freiliegenden Bootssteg bequem eingewassert werden – und das Abenteuer beginnt.

Matthias Käser

Nach zehn Minuten haben wir bereits die erste Brücke passiert und schon einiges gesehen: Fischerboote und Stand-Up-Paddles haben uns überholt, ein anderes Gummiboot mit ein paar motivierten Jungs kam uns flussaufwärts entgegen und ein Reiher fühlte sich in seiner Mittagsruhe gestört und suchte das Weite.

Nach einer halben Stunde heisst es schon wieder auswassern

Bald sind auch die ersten Schilder sichtbar, die Boote vor dem kommenden Stauwehr warnen und Anweisungen geben, was zu tun ist. Für uns heisst es: Aussteigen und das Wehr zu Fuss umgehen. Ein praktischer Schwimmsteg steht dazu zur Verfügung. Das Boot tragen wir ein paar Hundert Meter über Land, um dann am nächsten Schwimmsteg unterhalb der Schleuse wieder einzuwassern.

Matthias Käser
Matthias Käser

Nun ändert sich die Landschaft: Es wird sehr viel naturbelassener, mehr Tiere sind zu entdecken. An die zehn verschiedene Libellenarten umfliegen das Boot, im renaturierten Teil der Aare tummeln sich unzählige verschiedene Wasservögel und unter uns schwimmen Fischschwärme.

Wir geniessen die Ruhe, man hört nur das Wasser plätschern – und ab und zu ein Motorboot, das an uns vorbeifährt. Die Ruhe wird noch zwei weitere Male von Kursschiffen unterbrochen, unser Boot muss mithilfe der Paddel an den Rand des Kanals manövriert werden. Die Kursschiffe haben Vortritt und brauchen genug Platz zum Manövrieren. Doch mit ein paar wenigen Paddelstössen ist die Gefahr gebannt.

Matthias Käser

In Brügg erreichen wir nach einer weiteren Stunde Fahrt erneut die Zivilisation. Unter drei Brücken hindurch treiben wir langsam durch Brügg.

Akrobatische und tierische Unterhaltung

Ein paar Jungs stehen auf einer Plattform am Brückenpfeiler unter der Autobrücke. Sie halten sich an einer Seilschaukel fest und springen von der Plattform, schwingen mehrmals hin und her und lassen sich dann mit akrobatischen Sprüngen ins Wasser fallen. Wir geniessen die Showeinlage. Vor uns liegt nun ein langer, gerader Abschnitt, der wenig Spannung bietet. Perfekt für eine kurze Abkühlung im Fluss.

Matthias Käser

Nach weiteren anderthalb Stunden treibt das Boot langsam aber sicher dem Zielort Orpund entgegen. Das Highlight auf der Fahrt: ein Hund mit Schwimmweste auf einem Stand-Up-Paddle, natürlich mit menschlicher Begleitung. Der Hund steht vorne auf dem Brett und schaut gebannt ins Wasser, womöglich hält er nach Fischen Ausschau. Wir machen uns für den Ausstieg bereit und suchen die Nähe des Ufers.

Zwischen ein paar Badenden hindurch finden wir den Weg zur Treppe über die Steinböschung. Das Boot darf nun erst mal an der wärmenden Sonne auf der Wiese des Fussballplatzes trocknen, wir gönnen uns währenddessen die wohlverdiente Erfrischung im Aarebeizli gleich nebenan.

Das Boot wird entleert – die elektrische Pumpe hilft erneut – und im Rucksack verstaut. Und wir spazieren mit Sack und Pack zur Bushaltestelle Orpund, Gottstatt gleich neben der Ausstiegsstelle und fahren zurück nach Biel.

Matthias Käser

Fazit: «Aareböötle» in Biel im Vergleich zu Bern

«Aareböötle» in Biel ist nicht nur etwas für Langweiler, sondern vor allem für Ruhesuchende. Allem voran ist die Fliessgeschwindigkeit der Aare um Biel wesentlich langsamer als um Bern. Das hat zur Folge, dass das Bootserlebnis in Biel entspannter ist, man hat jeweils viel Zeit zum Reagieren. Das macht das «Böötle» in Biel sicherer.

Die langsam fliessende Aare bringt aber auch ihre Nachteile: Man kommt viel gemächlicher voran und sieht so auch weniger. Ab und zu muss man gar zum Paddel greifen, um wieder in die schnellere Strömung zu kommen.

Ausserdem verkehren in Biel auf der Aare Kursschiffe und andere Motorboote, auf die es zu achten gilt. In Bern hat man nur andere Gummiboote um sich herum, dafür umso mehr Gefahrenstellen im Wasser wie Brückenpfeiler, Steine und Baumstämme. Ausserdem ist die Gehdistanz von öffentlichem Verkehr bis zur Aare und zurück in Bern tendenziell grösser.

Matthias Käser

Ein weiterer Punkt, der für Biel spricht: Die Landschaft am Nidau-Büren-Kanal ist abwechslungsreicher und man ist trotz der langsamen Fliessgeschwindigkeit nie gelangweilt. Zudem sind die Touren in der Region grösstenteils individuell anpassbar: Man kann für ein Feierabendböötle für eine halbe Stunde auf die Aare oder für einen Wochenendtrip von Biel bis Solothurn fahren – Ausstiegsmöglichkeiten mit Anschluss an den öffentlichen Verkehr in direkter Nähe findet man immer wieder entlang der Strecke. Auch an Haltemöglichkeiten mit Grillstellen fehlt es nicht.

Somit empfiehlt sich besonders für Familien mit Kindern oder für Leute, die Entspannung suchen, das Bootsabenteuer eher in Biel als in Bern.

Matthias Käser

Weitere mögliche Strecken in der Region

Die naheliegendste und gleichzeitig auch die am besten individualisierbare Tour ist die «Grand Tour» von Biel nach Altreu. Für diese Bootsfahrt benötigt man etwa 7,5 Stunden Zeit. Motivierte «Böötler» können die Tour auch bis Solothurn oder noch weiter verlängern, die ganze Strecke ist allerdings gut 31 Kilometer lang und dürfte schätzungsweise bis zu zehn Stunden dauern. Die Teilabschnitte Orpund–Büren und Büren–Altreu sind dabei besonders schön, weil sie naturnah sind. Beide Strecken bedürfen gut drei Stunden Zeit und bieten hervorragende Ein- und Ausstiegsmöglichkeiten mit ÖV-Anschluss.

Auch der Hagneckkanal zwischen Aarberg und Hagneck eignet sich hervorragend zum «Böötle». Es ist meist ein besonders ruhiger Flussabschnitt: Kursschiffe fahren hier gar nicht, Motorboote nur vereinzelt. Einsteigen kann man direkt unter dem Wehr von Aarberg. Die Fahrt dauert um die drei Stunden. Für den Ausstieg in Hagneck empfiehlt es sich, noch vor der Hagneck-Brücke auszusteigen, so hat man einen kurzen Gehweg bis zur Bahnstation.

Für diejenigen, die gerne spontan bleiben, ist auch eine Bootstour auf dem See eine Option. Grundsätzlich kann man überall rund um den See ein- und aussteigen, sollte aber darauf achten, dass man dies nicht in einer Hafeneinfahrt oder einer Kursschifflinie tut. Ausserdem darf man sich mit Booten, die kürzer als 2,5 Meter sind, nicht weiter als 150 Meter vom Ufer entfernen. Bei dieser Option muss man jedoch bedenken, dass es im See kaum Strömung hat.

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Nicolas Geissbühler

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