
«Schlechtester Act ever»: Das Rating der Headliner des Openair Frauenfeld von 1 bis 10
Selten wurde eine Ausgabe des Frauenfelds so kritisiert, wie die 2025. Ein Augenschein vor Ort – und eine ausführliche Konzertkritik, weil die sonst niemand macht.
14.07.2025, 6:02
Das diesjährige Openair Frauenfeld versprach mit einem äusserst dünnen Line-up nicht gerade viel. Und dann war da noch der kleine Skandal, dass Justin Timberlake, der eigentlich am Donnerstag hätte Headliner sein sollen, von der Festivalorganisation gecancelt wurde (sie haben kalte Füsse bekommen, nachdem die Fans von Verrat am Hip-Hop gesprochen haben, finanziell lohnt sich die ganze Aktion mit dem Ersatz A$AP Rocky aber niemals).
Dennoch waren einige Leckerbissen angekündigt, weswegen es mich drei Abenden lang in die Ostschweiz verschlug.
Aus tiefen Erwartungen wurde dann ein stimmiges und würdiges OAF mit einigen (positiven und negativen) Überraschungen. Hier die grosse Konzertkritik:

Donnerstag: A$AP Rocky
Der Auftritt des grossen Rocky lässt mich auch Tage danach etwas ratlos zurück – obschon für mich einer der Hauptgründe für den Festivalbesuch, da ich ein Fan bin.
Erstmals kam der Superstar gut 20 Minuten zu spät. Er entschied sich für den einigermassen kreativen Zug, die ersten paar Songs mit einem Megafon anstatt eines Mikrofons zu performen. Dadurch hörte man ihn so gut wie gar nicht. Und obschon er die ganze Bühne und den Steg hinauf- und hinunterrannte, dachte ich: «Das wird der schlechteste Headline-Act ever.»
Zum Glück nahm er nach einigen Tracks dann doch ein richtiges Mikrofon – und die Soundqualität wurde deutlich besser. Dennoch: Er rappte kaum und das Backing-Playback ist bei ihm vielmehr ein richtiges Playback: Oft schrie er nur die Adlibs oder – was inflationär oft passierte – stachelte die Crowd zu Moshpits an. Und, ja, diese Pits waren gross, mächtig und wild, aber das ist eben nicht alles in einem Konzert.
Die Show konnte man dennoch geniessen: Sie war energiegeladen, Rocky hatte die Crowd gut im Griff und er spielte eine sehr ansprechende Setlist mit praktisch allen seiner Hits. Die vielen Pyros wurden geschickt eingebaut, zum Schluss gab es ein grosses Feuerwerk. Er liess allerdings auch drei Songs seiner geplanten Setlist aus und beendete seine Show nach nur rund 55 Minuten zu früh. Am Anfang der Show eine 2/10, am Schluss eine 9/10 (Playback kann niemals eine 10/10 sein). Deswegen:
Rating: 6,5/10
Ferner am Donnerstag:
Ikkimel:
Gewohnt tolle Live-Show, inklusive Einsperren eines Zuschauers in einen Hundezwinger.
Rating: 8/10
Freitag: Young Thug
Am wenigsten Erwartungen hatte ich an den Freitags-Headliner Young Thug. Er ist sicherlich der kleinste Name der drei Heads und ich habe ihn bereits 2019 gesehen, als er praktisch alles Playback gespielt hat. Allerdings bekam die Crowd 2025 ein komplett anderes Bild zu sehen. Bereits vor der Show war erkennbar: Das wird eine grössere Produktion. Auf der Bühne stand bereits eine grosse, geneigte Scheibe.
Fast auf die Minute pünktlich begann Young Thug seine Show – mit viel Pyros, CO₂ und beeindruckenden Visuals auf den Screens hinter und neben der Bühne. Und: Er rappte so gut wie alles Live (!) und hatte nicht mal Backing-Vocals (!!). In seinem Set spielte er alle seine Hits und insgesamt 27 Songs (zum Vergleich: Rocky spielte nur gerade 15). «The London», «Hot» und auch «Pick up the Phone» fehlten nicht.
Zum Schluss gab es gar noch einen gemeinsamen Song mit Ken Carson («YUCK»), welcher dafür auf die Bühne kam. Nach einer Stunde (nicht zu früh!) war die Show zu Ende – eine tolle Performance von einem absolut würdigen Headliner.
Rating: 9/10
Ferner am Freitag:
Zartmann:
Endlich ein Act mit kompletter Live-Band! Toller Live-Act mit ruhigen Songs und trotzdem voller Energie. (Die Frage, ob er ans OAF gehört, kann man stellen. Sie kann aber getrost mit «Ja» beantwortet werden. Zartmann ist Hip-Hop.)
Rating: 8,5/10
Luciano
Musikalisch überhaupt nicht mein «Cup of tea», aber ganz ansprechende Live-Show.
Rating: 7/10
Ken Carson
siehe unten.
Samstag: 50 Cent
Zugegeben, auch vor der Show des grossen Fifty, eines meiner musikalischen Kindheitshelden, hatte ich kaum Erwartungen und so einige Bedenken. Aber auch hier erwiesen sich diese (grösstenteils) als unbegründet. Auch er kam ziemlich pünktlich und riss die gesamte Crowd gleich von Beginn an mit. Seine Hits «P.I.M.P.» und «Candy Shop» brachte er gleich am Anfang des Sets, dazu ein Schwadron Tänzerinnen und zwei Breakdancer auf die Bühne.
Die hattens alle voll im Griff und waren ein echter Mehrwert. Zumal sich der 50-Jährige dann schon ab und zu ein paar Minütchen hinten erholen musste. Dabei zog er sich aber immer auch um: Mindestens sechs verschiedene Outfits präsentierte er in der Show seiner Legacy-Tour.
Insgesamt spielte er ein hitgeladenes Set, mit allen seinen Bangern, Pyros und einer Show, die sich sehen lassen kann. Einzige Abstriche: Fifty ist nicht mehr ganz der Fitteste. Ab Mitte des Sets wurde seine Stimme zunehmend heiserer und er etwas langsamer. Dennoch spielte er die Show zu Ende und wollte am Schluss gar nicht mehr aufhören: Er spielte mehr als 15 Minuten über seine Settime, und gab Zugabe um Zugabe. Tatsächlich war die Show mit weit über 30 Songs die längste, die er in seiner diesjährigen Festivaltour in Europa gespielt hat.
Rating: 9,5/10
Ferner am Samstag:
Humankind:
Halt ein TikTok-Hit-Baby, aber ganz okay, die Show (mit dem Hit ganz zum Schluss).
Rating: 6/10
LeoStayTrill:
Der Junge aus England hats voll drauf! Erst 18-jährig, aber deepe Songs und mega viel Freude auf der Bühne. Ziemlich alles live gerappt. Hoffentlich einer «to watch in the Future».
Rating: 9/10
Denzel Curry:
Ziemlich gut, rappt fast alles live und greift selten auf das Back-up-Playback zurück. Ihm fehlen halt die ganz grossen Hits.
Rating: 7/10
Souly:
Halt so ein derzeitiges Hype-Kid. Ich verstehe diesen Rummel, wenn auch nur beschränkt. Live erinnert er ein bisschen an Ken Carson (siehe unten) mit Techno-DJ. Nicht so Meins.
Rating: 5/10
RAF Camora:
Schon mehrmals gesehen, war dies sicherlich sein schlechtester Auftritt. Denn obschon ich seine Musik nicht mag, überzeugt er für normal. Diesmal nicht. Er konnte das Publikum gerade mal in den ersten paar Reihen packen, danach war Schluss. Da half auch das Auto auf der Bühne und seine Hits nicht.
Rating: 4/10
Bonus: Ken Carson
Wohl das grösste Hip-Kid derzeit im Hip-Hop-Business. Zu hören war vor allem, dass seine Livekonzerte Eskalation pur seien. Ich blieb skeptisch und erwartete wenig, diese Erwartungen wurden erfüllt. Darüber hinaus reichte es aber nicht.
Das Gen-Z-Phänomen kann ich in puncto Musik noch so einigermassen nachvollziehen, denn über Kopfhörer hat er zwei, drei nette Songs. Auf der Bühne dann aber nicht mehr. Ken Carson dachte wohl, es reiche, über 50 Minuten auf einem Podest herumzurennen und immer mal wieder ins Mikrofon zu schreien (ja, schreien, anders kann man dies beim besten Willen nicht betiteln) und im Hintergrund das Playback laufen zu lassen.
Klar gingen die Pits vorne auf, klar waren sie wild, aber eben: Das reicht einfach nicht. Sonst hatte Carson nämlich so gut wie gar nichts an Show oder Performance zu bieten. Er turnte die gesamte Zeit auf seinem Podest rum, gerade dreimal stieg er während des Konzerts herunter und rannte den Steg nach vorne, nur um sich dann gleich wieder auf seinem Podest zu verschanzen. Interaktion mit dem Publikum? Neben «Open that shit up» eine glatte Fehlanzeige.
Wer sich gerne eine Stunde lang anschreien lässt, der soll sich das gönnen. Ich für meinen Teil habe Ken Carson live gesehen. Zumindest war sein Gig so schlecht, dass er sich hier eine eigene Kategorie verdient hat.
Rating: 3/10